Nocte Obducta - Karwoche - Die Sonne der Toten pulsiert

Review

NOCTE OBDUCTA liefern seit ihrer Rückkehr mit „Verderbnis – Der Schnitter kratzt an jeder Tür“ im Jahr 2011 stetig ab und so kann man sich grob im Zwei- bis Dreijahresrhythmus über ein neues verschrobenes Kleinod der Black-Metal-Sonderlinge aus Mainz freuen. Bei aller sonstigen Unberechenbarkeit hat sich seit zwei Alben allerdings eine deutlichere Hinwendung zu rabiatem Black Metal der frühen Tage herauskristallisiert, während allzu psychedelische oder schwelgerische Exkurse für den Moment hinten anzustehen scheinen. Auch das 14. Album „Karwoche – Die Sonne der Toten pulsiert“ folgt weitestgehend diesem Trend, alle Zeichen stehen also mal wieder auf Sturm.

NOCTE OBDUCTA fallen gleich mit der Tür in die Taverne

Ganz so ruppig wie der Vorgänger „Irrlicht – Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz“ oder einige der Frühwerke scheppert „Karwoche“ zwar nicht durch die nebelverhangenen Gassen, die schwarzmetallische Garstigkeit hat aber offensichtlich erstmal Fuß gefasst. Und so eröffnet „Sonne der Toten“ die neue Scheibe ordentlich rödelnd und mit jeder Menge Punk-Attitüde und Rock’n’Roll-Dreck unter den Fingernägeln. Irgendwie vollbringen die Mainzer das Kunststück, jedem Album einen eigenen Spirit zu verleihen, ohne dabei je ihren angestammten Sound aus den Augen zu verlieren.

Denn verhallte Riffs mit ordentlich Reverb, abseitige Melodien sowie das unheilige Krächzen und düstere Raunen von Torsten, all das kennt man natürlich von NOCTE OBDUCTA. Diese Markenzeichen werden bei Nummern wie dem ebenfalls recht rotzigen „Drei gemeuchelte Sommer“, dem getragenen Titeltrack und dem so subtil melodischen wie bitterbösen „Blutmond Nemesis“ stilvoll durch exerziert. Und doch ist da immer etwas mehr, als sich beim ersten oberflächlichen Hördurchlauf offenbart.

Seien es unterschwellig schaurige Keyboards beim ranzig rasenden „Conamara Chaos“ oder sehr viel weniger unterschwellige aber dafür umso schaurigere Keyboards beim doomigen „Birkenpech“; selbst wenn NOCTE OBDUCTA vordergründig einen auf primitiv und aufs Maul machen, so verstehen sie es doch stets, eigenwillige Spielereien einzubauen und eine dichte Atmosphäre zu erzeugen. Und ganz nebenbei ziehen sie mit dem im Marschtempo vorgetragenen „Balder“ auch noch den Hut vor BATHORY.

Zum Abschluss ein Prosit der Gemütlichkeit

Die Atmosphäre kommt genau wie die bereits erwähnte Grundstimmung der einzelnen Alben auch durch die Produktion zustande, denn wo „Irrlicht“ eisig aus den Boxen klirrte, wohnt „Karwoche“ eine Glut inne, die mal feurig auflodert und dann wieder ruhig vor sich hin schwelt. Dies kulminiert beim abschließenden „Feigen und Schwarzbier“ sogar in einer Art melancholischer Gemütlichkeit, die den Eindruck erweckt, man würde sich tatsächlich im schwach beleuchteten Hinterzimmer einer verrauchten, zwielichtigen Taverne befinden und mit ebenso zwielichtigen Spießgesellen in Erinnerungen an den vergangenen Sommer schwelgen.

Was soll man noch sagen, „Karwoche“ zeigt NOCTE OBDUCTA, wie man sie nun seit 30 Jahren kennt und liebt (oder eben nicht). Erneut geben sich die Mainzer vordergründig roh und aggressiv, ohne aber das Verspielte in ihrem Sound zu kurz kommen zu lassen. Die Lyrics sind wie üblich so poetisch wie kryptisch gehalten und der ganzen Chose wohnt eine urige Verschrobenheit inne, die auf jegliche Trends pfeift und sich niemandem anbiedert. NOCTE OBDUCTA eben.

14.08.2023

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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