Nirvana - In Utero

Review

1993, Grunge Rock befindet sich auf dem kreativen und kommerziellen Höhepunkt. Ein Millionenalbum jagt das nächste und auch NIRVANA, DIE Grungeband schlechthin, schiebt mit „In Utero“ den Nachfolger zu „Nevermind“ ins Rennen.

Deutlich schwerer im Sound als noch auf den Vorgängern geht das Album direkt in die Knochen und spannt den Geduldsfaden des Hörers aufgrund unterschiedlicher Umstände bis aufs Äußerste. Drogenverseuchte, stellenweise unsäglich schräge Gitarrenparts („Milk It“) machen es einem absolut nicht einfach und mitunter vollkommen zugekokst wirkender Gesang, wie zum Beispiel bei „Scentless Apprentice“, stellen den Hörer auf eine harte Zerreißprobe. Natürlich gibt es auch wieder den totalen Seattle-Gnadenstoß, wie den Hit „Heart-Shaped Box“, der mir persönlich im Übrigen viel besser gefällt als das gesamte „Nevermind“-Album, da er einfach mehr Druck hat und deutlich unentspannter wirkt. Achtet auf die derb tief bratenden Melodien der Gitarren und ihr wisst, was ich meine. Mit dem Song hätten NIRVANA niemals Millionen gemacht, wenn sie nicht bereits ihren Status gehabt hätten, mein Wort drauf!

Klaro, auf dem von Steve Albini produzierten „In Utero“ gibt es auch „Nevermind“-kompatiblen Stoff zu hören, wie zum Beispiel „Rape Me“, „Dump“, „Pennyroyal Tea“ oder auch „All Apologies“, aber kann man es dieser Band verübeln? Das ist einfach ihr Stil. Entweder man hat NIRVANA damals als DEN Sound der Zeit geliebt oder sie abgrundtief gehasst, weil man sich nicht mit der Musik und ihrer Aussage identifizieren konnte oder wollte.

Jedenfalls merkte man „In Utero“ den Verfall Cobains eindeutig an. Sicher, er war vorher auch schon total fertig und absolut auf Droge, aber „Nevermind“ klang seinerzeit noch ein klein wenig klarer als „In Utero“, das teilweise so schräg und ungerade war, dass man es selbst kaum nüchtern ertragen konnte (bzw. kann).

Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch, dass NIRVANA auf diesem Album mitunter richtig heftig (relativ gesehen natürlich) zur Sache gingen. Die Riffs braten immer mal wieder richtig saftig und neben den Cobain-typischen Texten, die nicht nur klug und regelrecht poetisch (oh ja!) sind, sondern auch durchaus tragisch erscheinen, blasen einen manche Songs in der passenden Stimmung gehört einfach nur um. Lieder, wie etwa „Radio Friendly Unit Shifter“ oder das nachfolgende „Tourette’s“ zeigen NIRVANA hier von einer erstaunlich harten Seite.

Ich vermute mal, dass NIRVANA besonders heute stark polarisieren, mit genügend Abstand zur damaligen Zeit und Musik, aber das ändert in keinster Weise etwas daran, dass diese Band Musikgeschichte geschrieben hat. Ob es einem passt oder nicht, aber NIRVANA haben die Rockmusik seinerzeit auf gewisse Art revolutioniert, was natürlich nichts mit den qualitativen Eigenschaften ihrer Musik zu tun hat. Kurt Cobain (Gitarre/Gesang), Krist Novoselic (Bass) und Dave Grohl (Schlagzeug) waren einfach mit ihrem Sound zur richtigen Zeit am Start und sie haben dafür ihre Lorbeeren in Form von dicken Bankkonten geerntet. So läuft das nun einmal. Es sei ihnen gegönnt!

Nachdem sich Cobain bekanntlich mit einer M-11 Remington-Schrottflinte selbst gerichtet hatte, wurde es um Krist Novoselic lange still und selbst heute noch versucht er wieder ins Musikgeschäft einzusteigen. Bislang allerdings vergeblich. Bis auf den einen oder anderen gescheiterten Versuch mit eher unwichtigen Bands ist ihm kein persönliches Comeback gelungen. Alleine Dave Grohl hat mit seinen FOO FIGHTERS nach dem tragischen Ende NIRVANAs wieder Fuß gefasst und sich einen neuen, vermutlich sogar viel interessanteren Namen gemacht. Zudem hat Grohl Rückgrat bewiesen und gezeigt, dass er nicht im Fahrwasser des Erfolges seiner übergroßen ex-Band schwimmen möchte, denn die Musik der FOO FIGHTERS hat mit dem NIRVANA-Sound bis auf ein paar wenige Parallelen nicht viel gemein. Somit verbleibt wenigstens ein Mitglied der damaligen Grunge-Ikonen im Business und beschert uns hoffentlich noch weiterhin viele gute Alben.

01.03.2007
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