Erstaunlich schnell arbeitet Mastermind Trent Reznor in letzter Zeit an neuem Stoff. Das letzte Album „Year Zero“ (2007) ist noch nicht vollständig aus den Ohren verschwunden und schon gibt es bereits neues Material zu lauschen. Kürzlich waberte uns die eher Ambient-lastige Collection „Ghosts I-IV“ entgegen und nun gibt es mit „The Slip“ schon ein weiteres neues Album der NINE INCH NAILS.
Zunächst gab es das komplette „The Slip“ als kostenlosen (!) Download über die NINE INCH NAILS Website, als eine Art Dankeschön an die Fans. Nun ist die Scheibe auch käuflich zu erwerben, damit all jene, die gerne etwas in der Hand halten, auch bedient werden. Zusätzlich mit einer Live-DVD bestückt, einem 24-seitigen Booklet und limitiert auf weltweit 250.000 Einheiten dürften sich schonmal alle NIN-Jäger die Hände reiben…
Musikalisch ist Trent Reznor allerdings mitnichten ein Meisterwerk gelungen. Ich vermag nicht zu sagen, ob es an der scheinbar überschwänglichen Kreativität des Künstlers liegt oder am derzeitigen Drang, unbedingt veröffentlichen zu wollen, aber wenn Reznor wirklich so viele Ideen im Kopf herumspuken, sollte er mit diesen Ideen auch vorsichtig und wohl bedacht umgehen, als sie mal eben auf Konserve zu bannen.
Keine Frage, „The Slip“ bietet Material, das eindeutig nach NINE INCH NAILS klingt und auch nur von ihnen stammen kann, aber es klingt auch weder großartig noch herausragend. Ich möchte Der Band, bzw. Reznor kein Unrecht tun, aber „The Slip“ klingt wie eine Sammlung aus B-Ware und Schubladenstoff, den man irgendwann mal beiseite gelegt hat, weil er nicht gut genug war für ein richtiges Album und ihn nun wieder hervorgekramt hat. Wie eine Ansammlung an übrig gebliebenem Material, welches man, nachdem man sich zunächst entschlossen hatte, den Kram kostenlos zu veröffentlichen, vielleicht doch nochmal (und wenn nur in geringer Auflage, weil die Meisten es ja bereits aus dem Web haben) regulär rausbringen könnte. Mit dem regulären Release nun geschehen.
Auch nach einigen kompletten Durchläufen habe ich keinen großen Song entdecken können, der eines NIN-„Hits“ würdig wäre oder auch nur annähernd die grundsätzlichen Qualitäten vergangener Glanztaten wie „The Fragile“ oder natürlich „The Downward Spiral“ erreicht („With Teeth“ und „Year Zero“ lasse ich an dieser Stelle mal bewusst außen vor). Stattdessen verrennt sich Reznor nach meinem Geschmack zu häufig in die für ihn bekannten, typisch verzerrten Elemente und zerstört alles, was nach etwas Großem klingen könnte oftmals bereits im Ansatz. Dieser Umstand fällt besonders in der ersten Hälfte des Albums auf. Auch wenn diese hart verzerrten Sounds in gewisser Hinsicht einen Schritt in die Vergangenheit der NINE INCH NAILS darstellen, erreichen sie dennoch nie die Qualität vergangener Tage. Ob nun der bewusste Wille dahinter steckt, mal nicht der große Hit-Held zu sein, vermag ich nicht zu sagen, was aber letztendlich nichts daran ändert, dass „The Slip“ größtenteils leider einfach nur unspektakulär klingt. Die Songs dümpeln zu sehr dahin und Energie wird nur durch extreme Sounds erzeugt, anstatt durch kluge und gutklassige Ideen und Strukturen.
Zum Ende hin wird das Album etwas seichter und durchdachter und entwickelt dadurch deutlich mehr Gefühl als noch zu Beginn. Zwar können diese paar Tracks den Gesamteindruck nur bedingt ausbessern, aber man merkt wenigstens, dass Reznor doch noch ein feines Händchen für geschickt ausgearbeitete Musik besitzt.
Natürlich wird der Die-Hard-Fan ohne mit der Wimper zu zucken zugreifen und das Album über den grünen Klee loben und das sei auch erlaubt, denn Meinungen sind grundsätzlich unterschiedlich. Auch wenn der grundsätzliche Gedanke, der hinter diesem Album und der Vermarktung steckt, bei manchen Leuten einen sympathischen Eindruck hinterlassen wird, kann ich persönlich einen bitteren Beigeschmack, der auf die Qualität zurückzuführen ist, nicht verschweigen.
Alles in allem ein ordentliches bis relativ gutes Album, jedoch ohne Überflieger und ohne wirklich große Augenblicke. Unbedingt vorher Probehören, bevor man jemandem eine der limitierten Silberlinge unnötigerweise wegschnappt.
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