Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Nach der Veröffentlichung des NINE INCH NAILS-Debüts „Pretty Hate Machine“ stehen für Mastermind vor allem Probleme vor der Tür. Eine Europatour im Vorprogramm von GUNS N‘ ROSES war alles andere als erfolgreich für die Band. Mit seinem Label TVT Records hat sich Reznor zerstritten.
TVT fordern ein zweites „Pretty Hate Machine“. Reznor denkt gar nicht daran, sich zu wiederholen und will seine kreative Freiheit bewahren. Still und heimlich beginnt er gemeinsam mit seinem Kumpel und Produzent Mark Ellis, an neuen Songs zu arbeiten. Dabei entsteht die EP „Broken“. Mit ihrer musikalischen Brutalität soll sie endgültig klarstellen, dass NINE INCH NAILS kein Mainstreamact sind – und bewirkt das Gegenteil.
NINE INCH NAILS gegen alle…
Für die Aufnahmen begeben sich Reznor und seine Mitmusiker nach Los Angeles, in das Haus mit der Adresse 10050 Cielo Drive. Genau der Ort, an dem Anhänger von Sektenführer Charles Manson Sharon Tate und vier ihrer Freunde ermordeten. Der düstere Vibe des Ortes übertragt sich eins zu eins auf die dort entstehenden Songs.
Denn es sind Frustration, Wut und Hoffnungslosigkeit, die die Stücke auf „Broken“ dominieren. Sowohl textlich wie musikalisch. Nach dem treibenden Intro „Pinion“ markiert „Wish“ einen Auftakt nach Maß. Der Drumcomputer hämmert unerlässlich vorwärts, die Gitarren krachen wie ein Weckruf in die angespannte Atmosphäre.
Im Refrain schreit Reznor voller Inbrunst: „Wish there was something real/Wish there was something true“. Nein, Frohsinn verbreitet „Broken“ wahrlich nicht. Das brachiale „Happiness In Slavery“ wirkt wie Reznors Abrechnung mit TVT. „Slave screams/ He spends his life learning conformity/Slave screams/ He claims he has his own identity“ – diese Worte passen mehr als perfekt zu Reznors Kampf um kreative Kontrolle.
…und Trent Reznor gegen sich selbst
Neben “Wish” kristallisiert sich das ähnlich vorpeitschende „Gave Up“ als zweiter Überhit der EP heraus. Das sich ständig wiederholende „It took you, to make me realize“ fräst sich augenblicklich in die Gehörgänge. „Gonna smash myself to pieces/ I don’t know what else to do“, folgt es im Refrain. Damit fasst Reznor seinen Ansatz für Projekt zusammen. er zerschmettert alles, was das NINE INCH NAILS-Debüt so erfolgreich gemacht hat und kreiert aus den Splittern einen ebenso wahnwitzigen wie einzigartigen Sound.
Neben dem eigentlichen Material der EP gibt es noch zwei Bonustracks. Diese kommen je nach Variante auf einem separaten Tonträger daher oder folgen auf „Gave Up“ nach einer längeren Stille. Reznor macht damit klar, dass „Suck“ und „Physical“ kein Teil des Gesamtwerks sind, sondern eine nette Dreingabe.
Beide Songs geben sich etwas weniger stürmisch als die EP. Beide Songs wurden, im Gegensatz zum Rest, nicht von Reznor allein geschrieben. Und beide Songs halten nicht ganz mit der immensen Qualität von „Broken“ mit – was nicht heißen soll, dass sie schlecht wären.
„Broken“ schießt nach ganz oben
Eine halbe Stunde lang lässt Trent Reznor seinem Wahnsinn freien Lauf. Was als Statment gegen die Kommerzialisierung von NINE INCH NAILS beginnt, treibt ebendiese schlussendlich nur voran. Reznor ergattert einen Plattenvertrag bei Interscope, einem Tocherlabel des Major-Riesen Universal. Allein in den USA verkauft sich „Broken“ mehr als eine millionen Mal und heimst damit Platin ein. Für „Wish“ gibt es einen Grammy oben drauf. Und mit dem folgenden Album „The Downward Spiral“ kommen NINE INCH NAILS endgültig in der obersten Rockstarliga an.
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