Nihil Nocturne - Wahnsinn Tod Verrat

Review

In einer von politisch Verirrten, musikalisch Geschmacklosen und insgesamt wenigen eigenständigen, qualitativen Bands durchzogenen deutschen Black-Metal-Szene ist das zweite Album von NIHIL NOCTURNE eine echte, erfrischende Überraschung. Das drei Jahre alte Debüt „Necrohell“ war noch geprägt von rohem, nordischen Old-School-Sound, „Wahnsinn Tod Verrat“ ist allerdings ein derart anderes Kaliber, dass die Scheibe fast von einer völlig anderen Band stammen könnte.
NIHIL NOCTURNE 2005 sind das Pendant zu allem, was in Norwegen vor zehn Jahren Black-Metal-Avantgarde war. Hier kommen die verqueren Gitarrenarrangements von VED BUENS ENDE mit der sperrigen und doch eingängigen Atmosphäre der ersten DÖDHEIMSGARD zusammen, wabernd-tiefe Synthesizer und rituelle Percussions wirken mit den philosophischen, alchemistisch anmutenden Texten in Vereinigung gleich doppelt mystisch. Obwohl das Album durch seinen sehr direkten, rohen Sound eher ungeschliffen wirkt, offenbart ein genauerer Blick dann doch, wieviel Detailliebe in den Arrangements steckt. Anders als mit viel Geschmack und Talent ist es auch kaum umzusetzen, aus einfachen, völlig genreuntypischen Drumpatterns, wanderndem Bass, verhallten Gitarren und viel elektronischem Ambiente ein Album wie aus einem Guss zu schaffen, bei dem jedes einzelne Stück individuell bleibt. Konkrete stilistische Vergleiche ziehen hier nicht, alleine weil sich die Band in ihrer Stimmung zwischen Industrial, Ambient, Doom und Black Metal bewegt und jeweils nur die verstörendsten Elemente verarbeitet hat. Dabei entwickeln die Lieder in ihrer Einfachheit, so widersprüchlich das klingt, zum einen sehr schnell Wiedererkennbarkeit, zum anderen wirken sie auch nach vielen Hördurchgängen so gut wie beim ersten Mal. Das mag auch an den schwierigen Texten liegen, die man, ohne erleuchtet zu sein oder ein literaturwissenschaftlich-philosophisches Studium abgeschlossen zu haben, kaum ganz begreifen kann. Es gibt immer etwas Neues, über das man beim Hören nachdenken kann.
Lieder dieser Tiefe, und dabei dieser Eigenheit, hat in Deutschland meines Wissens nach seit längerem keine Band mehr veröffentlicht. Man muss als Black-Metal-Band schon überdurchschnittlich mutig sein, um sämtlichen herrschenden Trends vollkommen zu entsagen und stattdessen ein größtenteils schleppendes, oft dissonantes, eher hinterhältig-lauerndes als offenkundig aggressives Album aufzunehmen, das allerdings abgründiger und schwärzer ist als jede DARKTHRONE-Kopie es sein könnte. NIHIL NOCTURNE scheinen einiges „verstanden“ zu haben, auf philosophischer, lebensnaher aber auch auf musikalischer Ebene. Eigenständigkeit, Wille und Können zahlen sich am Ende aus. „Wahnsinn Tod Verrat“ wird nie ein Kassenschlager sein, aber den Respekt derjenigen, die es mit diesem Musikstil ernst meinen, hat sich die Band definitiv gesichert.

18.07.2006

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1 Kommentar zu Nihil Nocturne - Wahnsinn Tod Verrat

  1. Anonymous sagt:

    dto. einfach eine völlig untrendige, eigenständige Scheibe. NN haben im Gegensatz zu anderen Bands echt Wiedererkennungswert. 9 Punkte sind hier tatsächlich angebracht. Fans der ersten Scheibe müssen aufpassen. So räudig wie auf "Necrohell" klingen NN nicht mehr. Aber mindestens genauso schwarz!

    9/10