Nightwish - Yesterwynde

Review

Über die finnischen Pioniere des symphonischen Edel-Metals bedarf es wohl keiner großen Worte. Fast müsste man von musikalischer Allgemeinbildung sprechen. Auch auf die personellen Fluktuationen der letzten Jahre muss nicht näher eingegangen werden, außer vielleicht, wenn es um das niederländische Stimmwunder Floor Jansen geht, von der nicht wenige behaupten, die Beste in ihrem Genre zu sein. Jedenfalls brachte die 184 cm lange Rockröhre frischen Wind in die Outputs und das Erscheinungsbild der Band. Dennoch fielen die beiden letzten Werke „Endless Forms Most Beautiful“ (2015) und „Human. :II: Nature.“ (2020) eher durchwachsen aus und zählen wahrscheinlich nicht zu den Meilensteinen in der Diskografie der Band, die in den frühen 2000er-Jahren mit bockstarken und stilprägenden Alben ein ganzes Genre maßgeblich beeinflusste.

NIGHTWISHs zehnter Streich

Nach neun Studioalben aus dem hochrenommierten Musikatelier Holopainen steht mit „Yesterwynde“ Langrille Nummer zehn in den Startlöchern. Es dürfte außer Zweifel stehen, dass die Hardcore-Fangemeinde auch diesmal wieder die Plattenläden einrennen wird, will sagen, dass der kommerzielle Erfolg so sicher ist wie das Amen in der Kirche. Mastermind Holopainen lässt über das Label verlautbaren, dass es „um eine fantastische Reise durch die Zeit, die Erinnerung und die besseren Seiten der menschlichen Natur“ geht.

Das Vorgängeralbum „Human. :||: Nature.“ offenbarte mit „Music“, „Shoemaker“, „Procession“ oder dem herausragenden „Endlessness“ einige hörenswerte Tracks. Daran muss sich die Band aber auch zwangsläufig messen lassen, will sie mit „Yesterwynde“ an die eigenen Ansprüche anknüpfen. Die charakteristischen Elemente sind nahezu gleichgeblieben. Es ging schon immer um Fantasy, History, Liebe und Hass, Natur, Wissenschaft, aber auch melancholische Themen. Untermalt wird das alles mit empathischen, romantischen und tiefgründigen Lyrics und gänsehautfähigen Melodien, die uns Herr Holopainen verlässlich wie auf einer goldenen Tafel musikalischer Virtuosität serviert.

Mit „Perfume Of The Timeless“, „The Day Of …“, „An Ocean Of Strange Islands“ und dem erst vor wenigen Tagen veröffentlichten „Lanternlight“ brachte die Band vier Vorab-Releases auf den Markt. Bei zwölf neuen Songs ist das durchaus angemessen, um die Erwartungshaltung zusätzlich zu erhöhen.

Konstantes Qualitätslevel

Die Finnen eröffnen den Longplayer mit dem kurzen, folkig anmutenden Titelsong „Yesterwynde“, gefolgt von dem epischen, fast zehnminütigen „An Ocean Of Strange Islands“. Letzterer überzeugt mit schwindelerregendem Tempo, treibenden Rhythmen und einem druckvollen Soundgewitter. Zudem präsentiert Floor Jansen eine ihrer besten Performances bei NIGHTWISH. Abgerundet wird die Vorstellung mit dem instrumentalen Abspann, der ein wenig an „Turn Loose The Mermaids“ erinnert.

Zeit zum Durchatmen bleibt auch im weiteren Verlauf der Scheibe nur bedingt. Das wuchtige „The Antikythera Mechanism“ hätte das Zeug zum Soundtrack; „The Day Of …“ qualifiziert sich schon alleine durch den fantastischen instrumentalen Mittelteil und die Chöre, die sorgfältig integriert wurden.

Das achtminütige „Perfume Of The Timeless“ wird in der zweiten Hälfte richtig stark, bevor „Sway“ mit einem schönen Duett mit Co-Sänger Troy Donockley die erste wirkliche Ballade darstellt. „The Children Of ´Ata“ überragt zwar nicht, kommt jedoch mit einigen innovativen Spielereien um die Ecke und erinnert an „The Siren“ vom „Once“-Album (2004). Ein weiterer Diamant lässt sich in dem atmosphärischen „Something Whispered Follow Me“ erkennen – was für eine Hymne! Floor liefert hier auf ganzer Linie, zudem gibt es einen satten Soundteppich vom Feinsten.

Mit dem flotten „Spider Silk“ geht es dann auf die Zielgerade, wo man auch „Hiraeth“ und „The Weave“ belauschen darf. Das balladenhafte und teilweise im Duett vorgetragene „Hiraeth“ steigert das Tempo ab der Songmitte zu einem dynamischen, kreativen Track. Endgültig rausgeschmissen wird der Hörer mit der sechsminütigen Vollballade „Lanternlight“, die von Floor Jansen dominiert wird.

Das stärkste NIGHTWISH-Album seit „Imaginaerum“

Bekanntermaßen sind die Geschmäcker sehr unterschiedlich, was seit dem Break mit TARJA vor schlappen 19 Jahren immer noch zu beobachten ist. Trotzdem wurde auch „Yesterwynde“ mit der DNA von NIGHTWISH geschaffen. Sieht man davon ab, dass „Yesterwynde“ als Konzeptalbum durchgeht, gibt es weder Ausreißer, noch Überraschungen. Nur 71 Minuten Unterhaltung aus der finnischen Kreativabteilung und das stärkste Album seit „Imaginaerum“ (2011).

 

21.09.2024

Redakteur | Schwerpunkte: Classic Metal, Female Fronted Metal, Hard Rock

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