Nightwish - End Of An Era

Review

Galerie mit 15 Bildern: Nightwish - An Evening with Nightwish 2023

Das Jahr 2005 war mit Sicherheit das bewegteste in der bisherigen Karriere von NIGHTWISH. Das aktuelle Album „Once“ schaffte es auf Nummer eins der deutschen Media Control Charts, man tourte über den kompletten Globus, spielte in ausverkauften Hallen vor jeweils rund 10.000 Zuschauern – wenn ich da nur an den Gig in der Stuttgarter Schleyerhalle denke (ebenfalls auf metal.de nachzulesen)… Das Ereignis, das aber selbst Nicht-Fans der Band im Gedächtnis geblieben sein dürfte, war natürlich der Rauswurf von Sängerin Tarja im Oktober letzten Jahres.

In Form der vor kurzem erschienen DVD „End Of An Era“ werden nun die zurückliegenden zwölf Monate aufgearbeitet und auf eine Tour zurückgeblickt, die es in dieser Form nicht mehr geben wird. Ohne Tarja sowieso. Aber auch um den betriebenen Aufwand und diese Perfektion in allen Belangen in Zukunft wieder zu erreichen, wird es einiger Anstrengung bedürfen. Mit der „Once World Tour“ haben es NIGHTWISH als vergleichsweise junge Band geschafft, Standards zu setzen, sowohl was die Inszenierung einer Live-Show, als auch was die Intensität des Gebotenen angeht.

Um dies gebührend einzufangen, und um ein Kapitel Bandgeschichte würdig abzuschließen, wurde für „End Of An Era“ ein immenser Aufwand betrieben. Die Scheibe erscheint sowohl als DVD – natürlich ganz in Nuclear Blast Tradition in allen möglichen und unmöglichen Ausstattungsvarianten erhältlich, die man sich neben den Brockhaus ins Regal stellen kann – als auch als Live-CD. Auf Wunsch natürlich auch beides auf einmal. Nicht nur, weil ich die Intensität eines NIGHTWISH-Auftritts selbst miterlebt habe, muss ich aber sagen, dass der Inhalt dieser DVD einen solchen Aufwand nicht nur rechtfertigt, sondern erfordert. Alles andere wäre Perlen vor die Säue! Denn selbst als Nicht-Fan wird man vom Gebotenen geplättet sein. Das enthaltene, etwa 105 Minuten lange Konzert wurde am letzten Tag der Tour in Helsinki mit einer Batterie von Kameras aufgezeichnet. Dass man sich beim Abschiedskonzert vor heimischem Publikum natürlich besonders ins Zeug legt, muss kaum erwähnt werden. Und so lässt der Mitschnitt auch wirklich keinerlei Wünsche offen. Zwar wurde der Gig technisch perfekt eingefangen, aber was würde das bringen, wenn die musikalische Seite nicht stimmen würde? Das tut sie aber. Und wie! Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Konzert zu den besten gehört, die je auf DVD veröffentlicht wurden.

Die Band präsentiert sich in bester Spiellaune und bietet ein Best Of-Set, das wirklich alle Hits enthält, die man sich wünschen kann, inklusive der drei Coverversionen von „Phantom Of The Opera“, „High Hopes“ (PINK FLOYD) und „Over The Hills And Far Away“ (GARY MOORE), die im eigenen Sound schon fast von NIGHTWISH selbst stammen könnten. Alle Bandmitglieder – jedes für sich – bieten eine blitzsaubere Performance. Und dabei ist nicht Tarja der Star – auch wenn sie im Laufe des Sets fünf mal die Garderobe wechselt. Nein, wer am meisten überzeugt, durch perfektes Spiel, enorme Ausstrahlung und übersprudelndes Charisma, ist Marco. Seine Mimik und seine Gestik sind die eines großen Entertainers. Und dazu kommt seine phänomenale Stimme und sein traumwandlerisches Gefühl für Stimmung und gefühlvolle Intonation. Sein Duett mit Tarja, besonders bei „Phantom Of The Opera“ ist absolute Weltklasse. Aber spätestens wenn er allein (ohne Tarja) „High Hopes“ anstimmt, brechen alle Dämme und man verliert sich in einem Meer aus Gänsehaut, bei dem einem warm und kalt zugleich wird. Nicht nur, dass sich unser Norman beim Gig in Stuttgart bei diesem Song der Tränen nicht mehr erwehren konnte, zeigt, dass man kein NIGHTWISH-Fan sein muss, um das nachfühlen zu können. Allein schon wegen dieses einen Songs lohnt sich der Kauf der DVD. Marcos eindringliche Mimik und das Gefühl, das er in den Song legt, muss man einfach gesehen haben! Tarjas Leistung, die keineswegs schlecht ist, verblasst dagegen geradezu. Da kann sie noch so oft die Klamotten wechseln.

Aber auch der Rest der Band präsentiert sich in Topform, sowohl spielerisch als auch vom Stageacting her. Diese Band lebt und atmet ihre Musik. Untermalt wird diese intensive Atmosphäre auf der großen Bühne von mehreren Videoleinwänden im Hintergrund, die stimmungsvolle Moodvideos zeigen, die thematisch an die jeweiligen Songs bzw. die Alben, von denen sie stammen, angelehnt sind. Einziges kleines Manko am Konzertmitschnitt ist die Kameraführung, die zwar durchweg als gelungen gelten muss, für meinen Geschmack aber zu kurze Close-Ups bietet. Gerade bei den Soli, die man ja unbedingt sehen will, ist der jeweilige Solist immer viel zu kurz im Bild. Was interessiert mich, was Tuomas macht, wenn Emppu gerade ein Solo spielt? Besonders bei Marcos Darbietungen ist ein längeres Verweilen des Close-Ups unabdingbar.

Ihr merkt: über das Konzert könnte ich noch stundenlang schreiben, es ist einfach komplett perfekt. Wie soll da noch eine Steigerung möglich sein? Gut, mit einem Orchester vielleicht. Oder nackten Tänzerinnen. Anders wohl kaum. Das Konzert allein wäre mir nach der metal.de-Skala auch sofort einen glatten Zehner wert, alles andere wäre Frevel. Allerdings fällt das Bonusmaterial mit einer knapp einstündigen Behind-the-Scenes Tourdoku zwar recht umfangreich aus. Im Endeffekt wirkt der Beitrag aber etwas schwachbrüstig und gehaltlos, da einfach meist kommentarlos Szenen aneinandergereiht wurden. Klar, das hat Backstage-Material so an sich, aber ein wenig Führung durch einen Moderator finde ich immer ganz schick. Ansonsten fällt die Bonussektion mit einer Bildergalerie doch recht mager aus. Gut, sämtliche Promovideos hat man schon auf anderen DVD-Releases verbraten, aber dennoch hätte man bei einer so gewichtigen Veröffentlichung wie dieser, die ja einen Meilenstein in der Bandgeschichte illustriert, noch etwas mehr klotzen können. Unterm Strich bleibt ein bis ins Letzte perfektes Konzert und etwas lieblos wirkendes Bonusmaterial. Für Fans ist die Veröffentlichung sowieso ein unausweichlicher Pflichtkauf. Für alle anderen, die beim Gedanken an NIGHTWISH nicht sowieso Ausschlag bekommen, aber auch eine heiße Empfehlung.

26.07.2006

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