Nightpray - Five Hours Before And Sometimes After

Review

Nachdem die hierzulande noch völlig unbekannten Rumänen NIGHTPRAY bereits vor zwei Jahren ein Mini-Album unter dem Titel „Dying“ veröffentlicht haben, das innerhalb kürzester Zeit den Underground gehörig aufmischte, folgt nun mit „Five Hours Before And Sometimes After“ ein Nachschlag ganz besonderer Güte. Es mag dabei auch an der erstmaligen Zusammenarbeit einer rumänischen Band mit einem Gastmusiker außerhalb des eigenen Landes überhaupt liegen, dass die Band bereits auf über 5.000 Downloads – über MySpace kostenlos incl. 12-seitigem, stimmungsvollen Artwork – ihres Albums blicken kann, oder einfach daran, dass sich NIGHTPRAY mit dem Herbstanfang den günstigsten Zeitpunkt zur Veröffentlichung ausgesucht haben, denn der Herbst steht allgemein stellvertretend für melancholisch-depressiv-suizide Schönheit, die auf „Five Hours Before And Sometimes After“ erschreckend verstörend, kalt und atmosphärisch dicht nicht einfach nur dargeboten, sondern zelebriert wird.

Als Gast, wie bereits erwähnt, ist neben 13 – hinter diesem Namen verbirgt sich niemand Geringeres als Artwork-Artist Costin Chioreanu von twilight13media -, Marius C, DD und Candacon diesmal Mr.C von DHG bzw. DODHEIMSGARD mit an Bord, genauso wie S, besser bekannt als Vocalist und Gitarrist von SATANOCHIO, der hier ein paar wirklich tiefgehende, quälende Screams von sich gibt, die jedem (mit)fühlenden Wesen durch Mark und Bein gehen (müssen).

„Five Hours Before And Sometimes After“ ist die erschreckend leidvolle, produktionstechnisch einwandrei, kalt-klare Vertonung einer geplagten Seele, die sich in einer von Hungersnöten, Gier und Finanzkrisen gebeutelten, kalt-hecktischen und zunehmenst vereinsamenden Welt nicht mehr zurechtfindet und grenzdebil seinem Leben ein Ende setzen möchte. Verständlich, dass dieses Album nicht sonnenbadend am Strand oder während einer Autofahrt mit den besten Freunden gehört werden will, sondern allein zu Hause im abgedunkelten Raum auf mittlerer Lautstärke, die Rasierklingen gut an einem Ort versteckt, der nicht unmittelbar erreichbar ist, denn ähnlich wie es die Norweger ULVER mit jedem ihrer Werke vollbringen, schaffen es NIGHTPRAY auch, dass man sich im Strudel der soundtrackartigen Klangcollagen tief hinab in die Abgründe (s)einer menschlichen Seele begibt, die wenig bzw. keine Hoffnung für sich sieht. Dabei ist der musikalische Background nicht ganz so üppig breitgefächert, wie von ULVER bekannt, aber nicht minder emotional und nicht minder atmosphärisch dicht. Spätestens wenn man die Rasierklinge in „Ask The Razorquestion“ immer und immer wieder durch die Luft sausen und ins Fleisch schneiden hört, wird sich ein übler Kloß im Hals festsetzen und eine gewisse Beklommenhaut breit machen, während der eigene Puls steigt und das Blut in den Pulsadern anfängt zu pochen. Und wenn S schließlich herzerweichend wimmert, laufen die Tränen die Wangen hinab und sammeln sich in Zeitlupe zu einer kleinen Lache, in denen das eigene Antlitz bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.

Fantastisch, wenn letztendlich – nach ergreifend vertontem Schmerz, Wut, Verzweiflung und dem beinahen (musikalischen) Nah-Tod-Erlebnis – der vorletzte Track „Photosynthetics“ durch eine im Vergleich zu den vorhergehenden Tracks differenzierteren Instrumentierung einen ersten Funken von Hoffnung aufkommen lässt, der sich im abschließenden Song „Horizon“ anhand eines Zitats aus dem heute mehr denn je aktuellen Filmtitel „Network“ aus dem Jahre 1976 vollständig entfalten kann:

„I don’t have to tell you things are bad. Everybody knows things are bad. It’s a depression. Everybody’s out of work or scared of losing their job. The dollar buys a nickel’s work, banks are going bust, shopkeepers keep a gun under the counter. Punks are running wild in the street and there’s nobody anywhere who seems to know what to do, and there’s no end to it. We know the air is unfit to breathe and our food is unfit to eat, and we sit watching our TV’s while some local newscaster tells us that today we had fifteen homicides and sixty-three violent crimes, as if that’s the way it’s supposed to be. We know things are bad – worse than bad. They’re crazy. It’s like everything everywhere is going crazy, so we don’t go out anymore. We sit in the house, and slowly the world we are living in is getting smaller, and all we say is, ‚Please, at least leave us alone in our living rooms. Let me have my toaster and my TV and my steel-belted radials and I won’t say anything. Just leave us alone.‘ Well, I’m not gonna leave you alone. I want you to get mad! I don’t want you to protest. I don’t want you to riot – I don’t want you to write to your congressman because I wouldn’t know what to tell you to write. I don’t know what to do about the depression and the inflation and the Russians and the crime in the street. All I know is that first you’ve got to get mad. You’ve got to say, ‚I’m a HUMAN BEING, Goddamnit! My life has VALUE!'“

Philosophisch, extrem schwer verdaulich, aber unheimlich ergreifend. Ein kleines Highlight im dicht besiedelten Wald viel unnützer Veröffentlichungen und abkassierender Eintagsfliegen. Hier spürt man die Leidenschaft jedes einzelnen Musikers, hier ist Poesie in den Texten verewigt. Auch wenn das Album an sich stark depressiv machen kann, so ist NIGHTPRAY ein düster-schwarzes Juwel gelungen, das man am besten mit Bedacht genießt.

20.10.2008

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1 Kommentar zu Nightpray - Five Hours Before And Sometimes After

  1. honksen sagt:

    Schönes Review – gefällt mir, obwohl das Zitat für meinen Geschmack ein wenig zu lang ausfällt. Das Beste hast Du noch gar nicht verraten – das wunderbare Stückchen Besonderheit gibt es kostenlos zum Download -> siehe den Myspace-Link.

    9/10