Nevermore - This Godless Endeavor

Review

Knapp zwei Jahre musste man sich mit der Frage quälen, ob NEVERMORE auf die letzten beiden Geniestreiche noch einen draufsetzen können. Ich will die Antwort ausnahmsweise vorwegnehmen: Seattles finest präsentieren auf ihrem neuen Longplayer „This Godless Endeavor“ das beste, komplexeste und fassettenreichste Werk ihrer bisherigen Schaffensgeschichte. Welch unglaubliches Potenzial in der Band steckt bewies man schon früher; erst unter dem Banner SANCTUARY, später aber auch auf den ersten NEVERMORE Scheiben. Vorläufige Perfektion in punkto Songwriting und Eingängigkeit erreichte man mit der Jahrhundertplatte „Dead Heart In A Dead World“. Das Nachfolgewerk ging schon weitaus komplexer, aber nicht minder genial zu Werke. Ich möchte diese beiden Meisterwerke in keinster Weise herabstufen oder verharmlosen, aber mit „This Godless Endeavor“ erreichen NEVERMORE in allen Belangen den Olymp ihrer Karriere.
Schon der brutale Opener „Born“ lässt einen mit dem sägenden Anfangsriff und einer unglaublichen Intensität kaum zu Atem kommen. Egal welchen der elf Songs man sich herauspickt, ein jeder schillert in seiner unfassbaren Brillanz und Vielschichtigkeit. Das wütende „The Psalm Of Lydia“, die zutiefst emotionale Halbballade „Sentient 6“ – die Songs lassen einen nicht mehr los. Unmöglich Highlights zu benennen, diese knappe Stunde Musik birgt so viel unfass- und unvorhersehbares. Die Songs wimmeln vor eingängigen Passagen und genialen Hooklines, die aber in so einzigartige Songstrukturen verpackt wurden, dass man sich jedes Mal wieder auf eine wundervolle Reise begibt, ein schwer in Worte zu fassendes und packendes Stück Musikgeschichte zu erkunden.
Diese Reise gipfelt im fulminanten, fast neunminütigem Titelstück. Der balladeske Anfang verwandelt sich nach einer Minute in verträumten Breitwandsound, bevor man dann nach einer weiteren Minute Fahrt aufnimmt und der Song in einem superben Riffgewitter endet, bei dem sogar Blastbeats ihre Verwendung finden.
Auch das was die beiden Gitarristen Jeff Loomis und Steve Smyth, die zum ersten Mal gemeinsam auf Platte zu hören sind, ist absolute Weltspitze. Sie schaffen eine perfekte Symbiose aus schädelspaltenden, düsterem, fast schon Death Metal-mäßigem Riffing, Herzzereissenden Melodien, schier unglaublichen Soli und alles dem, was tausende Nachwuchsmusiker fassungslos und ungläubig vor den Boxen zurücklässt.
Über allem thront der Gesang von Warrel Dane, der seine bis dato ausgereifteste Leistung abliefert. Wie viel Gefühl er in die Textzeile „Nothing changes, everything stays the same…“ legt, lässt einem tausend kalte Schauer über den Rücken jagen. Kritisch, anklagend und fragend versucht Warrel einen Blick hinter die Fassade der Gesellschaft zu werfen, einen Blick hinter die Masken, die alle Menschen tragen zu erhaschen. Durchdacht und emotional sucht er nach Antworten und verleiht dem Geschriebenen durch den ausdrucksvollen Gesang fast schon hypnotische Wirkung.
Beeindruckend auch was Drummer Van Williams auspackt. Er zeigt erneut, dass er nicht nur zu den technisch versiertesten, sondern gerade bei den vertrackten Parts auch einer der innovativsten seiner Spezies gehört. Erwähnenswert natürlich auch noch die gewohnt geniale Produktion von Andy Sneap (OPETH, MACHINE HEAD) und das düstere Cover von Hugh Syme (RUSH, MEGADETH).
Ich kann das vorweggenommene Fazit nur wiederholen: NEVERMORE haben ein grandioses Referenzwerk erschaffen, das das Zeug zum Klassiker hat. Komplex und druckvoll wie nie zuvor, auf dem songschreiberischen Zenit legen NEVERMORE die berühmte Messlatte wieder ein Stück höher. Ich kann nicht anders, als die Höchstnote zu zücken, obwohl ich es NEVERMORE sogar zutraue, da noch einen draufzusetzen. Denn wer es geschafft hat, an zwei Meisterwerke so nahtlos anzuknüpfen, der wird es doch noch ein viertes Mal schaffen…
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23.07.2005

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15 Kommentare zu Nevermore - This Godless Endeavor

  1. David sagt:

    Alles unter der Höchstpunktzahl wäre ein Frevel gewesen. Dem Review ist nichts mehr hinzuzufügen. Eine absolut gottgleiche Platte, die einen tief im Innersten berührt (Refrain "Born"), nur um im nächsten Moment den Kopf mit einer urgewaltigen Riffmacht abzuhacken.
    Hätte nie gedacht, dass NEVERMORE "Dead Heart…" noch einmal toppen werden. In dieser Einschätzung bestärkte mich das sehr starke, aber weniger brillante "Enemies Of Reality". Doch was Dane und Co. mit "This Godless Endeavor" abgeliefert haben, ist schwer in Worte zu fassen.
    Das Album des Jahres 2005! Und mit MACHINE HEADs "Through The Ashes Of Empires" zusammen bisher das Album dieses noch jungen Jahrzehnts bzw. Jahrhunderts!

    10/10
  2. Anonymous sagt:

    Geht so, aber flasht mich nicht für 5 Cent. Haben Nevermore übrigens noch nie. Ein zweites Mal hör‘ ich mir das hier bestimmt nicht an…

    5/10
  3. clayman22 sagt:

    Als ich das Album DHiaDW hatte ahnte ich das dies meine Lieblingsband werden könnte, es wurde mit jedem weiterem Album nur deutlicher. Auch als ich die älteren Alben hörte war ich sehr beeindruckt. Für mich persönlich ist -Enemies Of Reality- ein tick besser, ist aber Ansichtssache. Warrel Dane hat die perfekte Stimme, er singt nur clean und trotzdem finde ich den Gesang hart und packend. – ja das album von Machine Head ist auch gut, auch Reroute to Remain, Damage Done, Enemy of God, Violent Revolution, Candlemass, Conspiracy In Mind, The Antichrist, First Strike Still Deadly, Alive or Just Breathing, Masterplan, Revolver, Versus The World, und einige von Soilwork sind nicht übell -all diese Alben sind recht neu.

    10/10
  4. Anonymous sagt:

    Dead Heart in a Dead World lieferte einfache Töne die auch für neue Hörer leicht anzunehmen waren. Enemies of Reality brachte uns mehr Thrash Riffs und Aggressivität und This Godless Endeavor bringt uns zurück zu den Wurzeln der Band. Das Album kann zwar nicht an das eher emotionale "Dreaming Neon Black" heranreichen, schwimmt aber auf der Perfektionswelle des "Politics of Ecstacy" Epos.

    Die Aggressivität von Enemies ist keinesfalls verschwunden, den schon beim Opener knallt einem gleich zu Beginn ein Wahnsinnsriff um die Ohren. Psalm of Lydia ist technisch das Beste, dass Nevermore seit Jahren produziert hat. So gut die letzten beiden Releases auch waren; This Godless Endeavor stellt sie ohne Probleme in den Schatten und knüpft wieder an die Großartigkeit von DNB und Politics an.

    10/10
  5. nihil77 sagt:

    Also Leute mal GANZ EHRLICH: "Enemies Of Reality" war doch eigentlich … Mist. Jedenfalls im Vergleich zum genialen "Dead Heart In A Dead World". War ’ne scheiß Rumpelproduktion kein einziger Reißer war drauf, dafür viele Nervtöter. Eigentlich hatte ich die Jungs schon fast als "ONE HIT ALBUM" ausgemacht. Aber holla, "This Godless Endeavor" macht doch Tatsache da weiter, wo man im Jahr 2000 aufhörte. Härte, Melodien, Vertracktheit ohne dabei gleich zu nerven und ENDLICH wieder richtige Ohrwürmer!!! Mit weitem Abstand zusammen mit genanntem "Dead Heart…" die beste Scheibe der Bandgeschichte!!!

    9/10
  6. abklaerie sagt:

    Hammerteil? Beste Album 2005? Naja habe schon bessere gehört in 2005.Born und Final Product knallen sofort richtig los , danach flacht das Album einwenig ab.Ansonst nicht schlecht aber auch nicht das Überalbum.

    8/10
  7. Anonymous sagt:

    Holy Shit, dieses Album ist so voll von Kreativität, genialen Songstrukturen und guten Riffs, dass einem die Spucke wegbleibt. This Godless Endeavor schiebt seine beiden Vorgänger problemlos an den Rand und reiht sich mit Dreaming Neon Black und Politics of Ecstacy in die Riege der Nevermore-Knüller ein. Standouts? Definitiv "The Psalm of Lydia". In diesem Song geht einfach alles. Ein wundervolles Festival der Riffs gekoppelt an eine absolut geniale Struktur. Nennenswert sind zudem der Opener "Born" und der erstklassige Titelsong. Eigentlich gibt es auf diesem Album keinen Filler und keinen schlechten Track. Die gesamte Scheibe ist hörenswert. Für Nevermore-Fans besteht Kaufzwang!

    10/10
  8. dorn sagt:

    Auch nach mehr als einem jahr hör ich es immernoch gern. Hammeralbum mit langzeitwirkung

    10/10
  9. sodomatic616 sagt:

    wahrscheinlich das beste Album des Jahrzehnts!

    10/10
  10. sick god sagt:

    Baut den Säcken doch endlich mal ihr Denkmal! Wie kann man so geile und eigenständige Musik so konsequent und so großartig erschaffen? Wie kann man es schaffen, dass keine Band sich ernsthaft mit der eigenen vergleichen lässt? Nevermore sind einfach großartig!

    10/10
  11. Anonymous sagt:

    Tolle CD mit sperrigen, dennoch nicht zerfledderten Tracks. Die Produktion drückt dunkel. Und es erinnert in den Refrains an SANCTUARY. Spät entdeckt; ob die "Obsidian" da rankommt?

    9/10
  12. Anonymous sagt:

    Selbst nach Jahren jedes Mal ein "Wow", wenn ich die Platte höre. Das ist ihr Meisterstück, an dem wirklich alles passt. Alle Song funktionieren auch live hervorragend. Eines der besten Metal-Scheiben aller Zeiten und mit dem gleichnamigen Titeltrack wohl auch einer der besten Metal-Songs aller Zeiten.

    10/10
  13. self1sch sagt:

    „This Godless Endeavor“ war mein erstes Metal Album überhaupt. Als Jugendlicher habe ich hauptsächlich Pop gehört, was eben gerade so auf MTV/VIVA lief. Das „härteste“ was ich damals mochte war vielleicht Evanescence oder Marilyn Manson lol. Musik war für mich eher Hintergrundgeräusch, besser als Stille könnte man sagen. Ich kam eigentlich weder über Familie noch über Freunde oder Klassenkollegen mit Metal in Berührung und wenn dann nur weil Leute sagten, das sei nur Krach.

    Dann eines Tages im Herbst 2005, hab ich dieses Album in einem Laden liegen sehen und ich fand das Cover einfach cool und edgy und habs mir, ehrlich gesagt, auch rein nur wegen des Covers gekauft.
    Zuhause in den CD-Player rein gelegt und der erste Song „Born“ hat mich ja mal komplett weggeblasen. Man kann sich vielleicht vorstellen, wenn man ansonsten Sachen wie Atomic Kitten und Sugar Babes hört, dass das schon ziemlich fetzt. Wie sich herausstellte ist dieser Krach saugeil!

    Ich brauchte ein paar Durchgänge, da speziell die zweite Albumhälfte nicht ganz so eingängig war wie die ersten Songs, aber es war um mich geschehen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl „meine Musik“ gefunden zu haben, Musik die wirkliche Emotionen in mir wecken. Ein kompletter Augenöffner! Ich sperrte mich täglich nach der Schule in mein Zimmer ein und drehte das Album auf volle Lautstärke, sehr zur Freude meiner Eltern haha. Ich lag im Bett, studierte die Lyrics mit einem Englisch-Wörterbuch neben mir, ich wollte einfach alles aufsaugen.
    Erst dieses Album hat mir die Musikwelt abseits des Mainstreams gezeigt und dafür bin ewig dankbar!

    TGE höre ich auch heute noch ziemlich regelmäßig, leider hat mich der Nachfolger „The Obsidian Conspiracy“ nicht mehr so flashen können, dadurch habe ich auch die Band etwas aus den Augen verloren. Das war auch der Grund weshalb ich erst vor ca. zwei Wochen erfuhr, dass Warrel Dane 2017 an einem Herzinfarkt verstorben ist.

    Für mich war er definitiv das Highlight des Albums. Er hatte immer ein gewisses Flehen in der Stimme, ohne dabei weinerlich zu wirken. Er verstand es ausgezeichnet Emotionen in seinen Vocals auszudrücken, zum Beispiel die Verzweiflung der Maschine in „Sentient 6“ die im letzten Drittel zu purem Hass und Zerstörungswut übergeht. Bekomme jedes Mal Gänsehaut wenn ich das höre und ist bis heute eines meiner absoluten Lieblingslieder.
    Da ich anfangs noch keine Ahnung von Metal hatte, waren seine Vocals wie ein Anker an den ich mich festklammerte während die Musik mich wegzufegen drohte.

    Auch für ihn wollte ich hier nochmal symbolisch 10 Punkte geben, das Album hat mich und meinen Musikgeschmack für immer verändert. RIP.

    10/10
    1. hypnos sagt:

      wow! danke für diesen schönen Kommentar. ist selten dass man hier so eine positive Geschichte liest.
      Ich hoffe du hast dir noch all die älteren Nevermore-alben besorgt. Ich hatte die Ehre und das vergnügen Nevermore vor Jahren beim Summerbreeze (war es 2007?) zu sehen. Großartige Show. Loomis spielte das ganze Set absolut fehlerfrei und Warrel sang wie ein Gott!

      1. self1sch sagt:

        Ich hab mir die Enemies of Reality reissue noch geholt, fand ich eigentlich auch ziemlich gut aber hatte irgendwie nicht den selben impact wie jetzt Godless Endeavour. Eventuell hätte ich die Scheibe auch einfach noch öfter hören müssen, ich wollte aber damals alle Metal Genres mal testen und nicht immer nur eine Band hören….

        Mir ist bewusst, dass Dead Heart von einigen als Nevermore’s Magnum Opus gesehen wird, bin aber noch nie dazu gekommen es mal anzuhören. Es kommt halt ständig was raus was ich hören möchte, wer hat den all die Zeit? 😉
        Aber wird auf jeden Fall noch nachgeholt!

        Echt cool, dass du sie auf dem Summerbreeze gesehen hast! Sie scheinen ja live wirklich eine Wucht gewesen zu sein, hab das auch schon öfter gelesen.