Ambitioniert. Das ist das Attribut, das mir als erstes zur ersten Veröffentlichung der deutschen Band NEBELKRÄHE einfällt. Der Fünfer ist nun seit gut zwei Jahren aktiv und legt mit „entfremdet“ ein Album vor, das von vorn bis hinten sehr durchdacht wirkt.
Im Prinzip ließen sich NEBELKRÄHE (wie für diese Rezension geschehen) dem Black Metal zuordnen, doch angesichts der mannigfaltigen Einflüsse, die in den acht Songs verortet werden können, wäre eine solche Einstufung natürlich nur unzureichend; todesmetallische Versatzstücke tauchen ebenso immer wieder auf wie einige nette Passagen mit unverzerrten Gitarren. Nicht zuletzt sei der variable Gesang umbrAs genannt, der größtenteils schwarzmetallisch kreischt, aber auch tiefere Growls und klaren Gesang beisteuert. Aus all diesen Elementen formen NEBELKRÄHE eine progressive, fordernde Melange, die ein hohes Maß an Dynamik und Dramaturgie zeigt. Als grober(!) Vergleich seien hier vielleicht NOCTE OBDUCTA genannt, doch selbst die sind ein ganzes Stückchen von NEBELKRÄHE entfernt, aber es ist ja durchaus als Kompliment zu verstehen, dass mir spontan keine vergleichbare Band einfällt.
Auch textlich gehen NEBELKRÄHE weitestgehend abseits ausgetretener Pfade – so ist „Lichtbringer“ mitnichten eine Cover-Version des TOTENMOND-Stückes, sondern verbindet das platonische Höhlengleichnis auf kreative Weise mit prometheischer Sage und dem Schicksal Luzifers verknüpft. Auch den Opener „Blick vom Ebenholzturm“ finde ich in seiner Anlage als Umkehrung des vielzitierten Elfenbeinturms sehr spannend. Bis auf einige wenige Ausnahmen wandeln die Texte dabei ziemlich stil- und zielsicher und stellen auf diese Weise einen angenehmen Licht- (oder Schatten-?)Blick in der lyrisch oft viel zu öden Black Metal-Landschaft dar.
Nach all dem Lob muss ich jedoch auch ein wenig Kritik üben. In meinen Ohren erreicht „entfremdet“ nicht durchgängig das Niveau, das offensichtlich erreichbar ist – ähnlich wie bei den spärlich gesäten sprachlichen Unebenheiten bin ich aber fest davon überzeugt, dass NEBELKRÄHE auf kommenden Veröffentlichungen noch konsequenter zu Werke gehen. Was mir leider ein bisschen sauer aufstößt, ist die Produktion des Albums, die für die progressive Spielart zu matschig ist. Ich WEISS, dass es auf „entfremdet“ wahnsinnig viele Details zu entdecken gibt – aber ich kann sie nur erahnen. Eine etwas kompaktere, trockenere Produktion würde den Songs dementsprechend deutlich besser stehen. Angesichts der Tatsache, dass „entfremdet“ das Debut einer recht jungen Band ist, ziehe ich aber meinen Hut und empfehle jedem, der etwas für anspruchsvollen, progressiven Black Metal übrig hat, zumindest mal reinzuhören – der Erwerb der CD lohnt sich wegen des schön gestalteten Booklets mit allen Texten und schicken Bandfotos aber allemal.
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