Ne Obliviscaris - Portal Of I

Review

Es war wie ein leises Flüstern. Der Name NE OBLIVISCARIS geisterte vor gut fünf Jahren durch diverse Foren und war doch, zu Unrecht, wenig beachtet. „The Aurora Veil“, so der Titel des Drei-Track-Demos, hinterließ Begeisterung und enorm hohe Erwartungen. Doch, im Gegensatz zu vielen Kollegen, ließen sich die Australier von all dem Lob nicht zu einem Schnellschuss hinreißen, sondern verschwanden zunächst für fünf Jahre in der Versenkung. Nach 2007 war erst einmal Ruhe. Die Band ließ sich Zeit und kehrt erst 2012 wieder wirklich zurück, im Gepäck das Debütalbum „Portal Of I“.

Das Warten hat sich gelohnt, oh ja! NE OBLIVISCARIS sind ungewöhnliche, fantastische Musiker, jene seltene Gattung von Band, die wahre Klanggemälde erschafft und dabei derart viele Farbmischungen, Schattierungen und Details verwendet, dass es im ersten Moment leicht überfordernd wirkt. Das ist aber schnell überstanden, und danach gilt es, die Ohren zu spitzen für diese unbändige Energie und Kreativität, welche die Australier so spielend aufbringen. Der Mund klappt da ganz von selbst auf. Stilistisch ist das Material dann noch schwerer zu verorten. Black Metal ist dabei, melodischer Death Metal auch, aber das ist noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. Wer das will, kann relativ wahllos Genrebezeichnugen durcheinander werfen. Progressive Metal, Klassik, Jazz, Fusion, Post Rock, die Aufzählung ließe sich nach Belieben fortsetzen und mischen, aber das nur als ganz grobe Idee.

NE OBLIVISCARIS sind da gedanklich weiter, was sich in Worten kaum einfangen lässt, ist die Leichtigkeit, mit der das Sextett all diese Stile zu einer homogenen, sehr abwechslungsreichen, aber keineswegs kopflastigen Mischung vereint. Besonders faszinierend, wenn nicht gar einzigartig ist der Anteil der Geige auf „Portal Of I“. Eigentlich schon als zweite Stimme entlockt Tim Charles dem Instrument derart viele ungewöhnliche Klänge, dass es einem schon wieder die Sprache verschlägt. Er ist es, der NE OBLIVISCARIS vermutlich noch das Tüpfelchen auf dem I verpasst. Aber auch hier, ein unbeschreiblich geniales Detail von vielen. Denn bei aller Liebe für Details, ungewöhnliche Wendungen und Einflüsse kommt auch der (Black) Metal nicht zu kurz. Es erheben sich gewaltige Stürme, unüberwindliche Gitarrenwände und niederdrückende Knüppelattacken. Alles getarnt in dem gesamt Kunstwerk, Killerriffs zuhauf, ergreifende Leads ebenso wie gewöhnungsbedürftiger, aber ergreifender Klargesang. Letzterer erreicht mühelos die Intensität des Geschreis.

Ach was rede ich noch weiter, hier ließe sich mühelos ein Roman schreiben. „Portal Of I“ hat dermaßen viele großartige Momente, die ein ganzer Haufen von Bands gemeinsam nie erreichen würde. Seien es nun machtvolle, vor Kraft strotzende, oder doch eher verträumte, beinahe zerbrechlich wirkende Passagen, sie alle haben ihren Raum gefunden. „Portal Of I“ ist keine Kopf-Musik, bei aller Progressivität, bei aller musikalischen Klasse setzt sich das Album sofort im Gehör fest, ist emotional und mit soviel Gefühl eingespielt, dass einem vor Begeisterung und Respekt nur der erneute Griff zur Play-Taste bleibt. Ein kleines Ärgernis bleibt aber am Rande: Besitzer von „The Aurora Veil“ dürfen sich nur auf vier neue Stücke freuen, da die komplette Demo enthalten ist. Da das hierzulande aber sich nicht all zu viele sein dürften, nun ja, Scheuklappen ab, CD bestellen und versinken. Die vielen Details dürft ihr dann selber erkunden… denn damit bin ich noch immer nicht ganz durch und gönne mir jetzt direkt die nächste Runde!

30.06.2012

Chefredakteur

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