Pädagogische Bemühungen machen besonders dann Spaß, wenn die Kadetten am Ende des Tages einsehen, dass die harte Kritik, die man einmal über sie geäußert hat, gar nicht ganz unberechtigt war. Nach meinem vielgehassten Review zu NASTRANDIRs Erstling „Zwischen Horizonten“ vor beinahe zwei Jahren hatte ich schon angenommen, die Band hätte von mehreren Seiten Schelte kassiert und sich umgehend frustriert aufgelöst. Aber nein, ganz im Gegenteil – scheinbar haben sich die Norddeutschen die herbe Meckerei zu Herzen genommen und hart an sich gearbeitet. Herausgekommen ist mit „Prayer To Earth“ etwas, das für mich eine handfeste Überraschung ist: ein erstaunlich erdiges, kompakteres, anspruchsvolleres Album.
Im Grunde ist dieses Album nicht das zweite Album von NASTRANDIR, sondern meinem Begriff nach eine Platte, die in einer ganz anderen Liga und auch in einem anderen Genre stattfindet. Das fängt schon beim Bandfoto an: vorbei sind die Zeiten, in denen sich NASTRANDIR als Wiks ausgeben wollten, aber eher nach Greenpeace-Aktivisten aussahen. Passend zu „Prayer To Earth“ posieren die Jungs jetzt neutral düster an einem windigen, grauen Strand und verbreiten damit schon eine sehr viel gereiftere, geschmackvollere Atmosphäre, die auch fabelhaft zum Album passt. Selbiges ist, obwohl wieder im Rosenquarz-Studio produziert, diesmal soundtechnisch sehr viel organischer geraten, knallt auch in den Bässen einigermaßen und besticht mit einem angenehm hörbaren Klangbild, das der aktuellen Stiloffenheit der Band sehr entgegen kommt.
Was es zu hören gibt, ist mitunter überaus ansprechend. Anstatt sich im düdeligen Flötensektor herumzutreiben und debile deutsche Texte zum Besten zu geben, haben sich NASTRANDIR diesmal aus allen Windrichtungen des Pagan und Black Metal entliehen, was atmosphärisch und griffig ist: die Epik von BATHORY und FALKENBACH inklusive „Ohoohoo“-Chören für „When I’ll Die“, das Heroische von PRIMORDIAL inklusive ziemlich straighten Blastbeats für das Titelstück, die Wikinger-Harmonik von EINHERJER für „Rise Of Runes“ (mit sehr schönem Streicheroutro!), die Diversität und Sperrigkeit von ENSLAVED zu Zeiten von „Isa“ oder „Ruun“ für den einen oder anderen progressiven Part („Bloodred Horizons“), das Riffing von IMMORTAL für „Uralte Winde“, das Archaische von HELRUNAR, dazu ein wenig BLACK SABBATH-Zähigkeit in „Evernight“. Letzteres geht übrigens als Meisterwerk des Albums durch. Dazu gesellen sich ein paar thrashige Beats, die leicht an Humppa erinnern, aber nie in Kitsch abgleiten. Diese auf dem Papier etwas zusammengewürfelte Mischung wirkt manchmal auch leicht konstruiert und etwas zu gewollt, ist im Prinzip aber gekonnt umgesetzt. Dazu gibt es größtenteils englische Texte, die NASTRANDIR einen viel internationaleren und ernstzunehmenderen Anstrich verleihen.
Auch die Darbietung hat sich dramatisch verbessert: zwar ist das Album sicher nicht fehlerfrei gespielt, verbreitet aber angenehmes Livefeeling und macht zudem den Eindruck, von wirklich talentieren Musikern komponiert und eingespielt worden zu sein. Und das bei Parts, die in Anspruch und Komplexität weit über das hinausgehen, was man im Schunkel-Wikinger-Sektor Europas sonst so geboten bekommt. Auch in Details ist „Prayer To Earth“ nett: schöne Bassläufe, genauso schöne Leadgitarren und Soli oder zweckmäßig eingesetzte Flangereffekte (z.B. in „Bloodred Horizons“, das insgesamt recht atmosphärisch gelungen ist). Auch der Gesang hat sich enorm verbessert: die klare Stimme ist seltener, aber dafür effektiv eingesetzt und auch nicht mehr so schrecklich schief wie vor zwei Jahren. Insgesamt ist der Gesang der Punkt, an dessen Emotionalität die Band noch weiter arbeiten könnte, aber alles in allem geht auch das in Ordnung.
Zusammengenommen ist „Prayer To Earth“ genau das, was ich von NASTRANDIR definitiv nicht erwartet habe. Mit „When I’ll die“ und „Evernight“ hat die Truppe zwei echte Volltreffer gelandet, mit zwei bis drei anderen Stücken anständige Songs geschrieben, aber auch zwei oder drei Stücke (z.B. „Frei“ oder „Fäuste Aus Stein“) mit auf das Album genommen, die absolut nicht überzeugen. Dazu gehört streng genommen auch das auf der ersten Auflage enthaltene BATHORY-Cover „Gods Of Thunder Of Wind And Of Rain“, das live als Zugabe sicherlich ein Mitsinghit ist, als Aufnahme aber wenig überzeugt. BATHORY-Aufnahmen sind in puncto Stimmung ohnehin kaum zu erreichen.
Aber sei’s drum – NASTRANDIR haben mich trotzdem auf dem falschen Fuß erwischt und meine Erwartungen voll enttäuscht. „Prayer To Earth“ ist sicher kein zeitloses Meisterstück, aber ein Riesenschritt ind die richtige Richtung. Deshalb gibt es ein ganz dickes Lob dafür, dass die Band nicht rumgeheult, sondern hart an sich gearbeitet hat. Wenn das so weitergeht, schreibe ich 2011 ein 9-Punkte-Review, versprochen.
2011 9 Punkte? Nein. Denn da sitzt du im Vorgarten deines Mindener Schrebergärtleins, deine Frau zupft Radieschen, Sohn Heinz-Peter zupft an Vatis Hosensaum und Vater Alboin korrigiert den Aufsatz "Wandertag mit unserem Oberlehrer: unser berührender Ausflug zur Porta Westfalica aus melodiöser Sicht". "Spiel mit Edda, Heinz-Peter", sagst du freundlich, ernsten Gesichtsausdrucks, das Enerviertsein professionell unterdrückend, bestimmt und weist auf Tochter Edda, welche Muttis hart erarbeitete Kürbisse durch die Gemüsefelder kegelt. Da ist kein Platz mehr für Reviews; Dilettanten wie Nastrandir müssen draußen bleiben, glücklicherweise.
Der gute Luc/Stendahl hat’s manchmal noch drauf…
Ich kenne den (vermeintlich miesen) Erstling der Band nicht, aber das aktuelle Album ist tatsächlich nicht mal schlecht, da kursiert weitaus Schlechteres. Eigentlich erwartete ich Schunkel-Vikingmetal, aber die Jungs gehen viel "ernster" zur Sache. Keine Spur von Bierzeltkapelle, womit die Band bei mir schon mal einen Pluspunkt sammelt. Von der Stimmung und vielen Riffs her erinnern sie mich bisweilen an die seligen Twin Obscenity aus Norwegen. Einige Chöre klingen etwas schräg, beim Schlagzeug kommt es mir manchmal vor, als fehlten letzte Schläge, wenn mal schnellere Fills gefordert sind. Sonderlich virtuos spielt der Schlagzeuger also nicht, muss er aber auch nicht, schließlich sind Nastrandir nicht Emperor. Ob das etwas komisch anmutende rollende R (nein, nicht im Hinblick auf das, was jetzt manche vermuten) in manchen Textzeilen sein muss, soll jeder nach seinem Geschmack entscheiden, mir gefällt es in seiner gekünstelten Art nicht. Ich denke, mit ein paar Verbesserungen in der Spieltechnik, zB bei den Drums, etwas weniger gekünstelter/lebloser Darbietung der Texte (rollendes R und der etwas saftlose Klargesang)und einer Portion mitreißender Passagen kann die Band auch mal eine 8 erreichen. Vorerst würde ich eine 6 als reichlich fair erachten.