Napalm Death - Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism

Review

Mensch, was hat „Apex Predator – Easy Meat“ die Massen rasiert. NAPALM DEATH hatten wieder einen biestigen Hassbatzen ins Rund gefeuert, als gäbe es kein Morgen mehr. Dann war es fünf Jahre still – und nun kommt der Nachfolger „Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism“ heran gepoltert – Album Nr. 16! Auffällig ist zuvorderst, dass Mitch Harris nur noch Credit für die Gitarren als Gastmusiker erhalten hat, neben John Cooke. Harris hat sich nach Aussage von Mark „Barney“ Greenway aus familären Gründen ein bisschen zurückgezogen. NAPALM DEATH selbst scheinen im Kern somit auf Greenway, Shane Embury und Danny Herrera reduziert worden zu sein.

NAPALM DEATH zu dritt – Mitch Harris diesmal nur mit Gastauftritt

Was bedeutet das für das Album selbst? Die Gitarren fetzen jedenfalls weiterhin fett, aggressiv und gerne auch dissonant. Seine Handschrift hat Harris also hinterlassen, die Platte klingt voll und ganz nach NAPALM DEATH. Dennoch hat es – sicher auch kraft seiner Abwesenheit als Mitschreiber – eine Änderung im Sound gegeben. „Throes Of Joy“ schlägt längst nicht so wild um sich wie sein Vollzeitvorgänger. Das eröffnende „Fuck The Factoid“ plättet seine Hörer zwar zunächst nach allen Regeln der Kunst mit furiosen Blastbeats und einem herrlich angepissten Greenway, doch die Hook nimmt trotz flottem Backbeat etwas Dampf vom Kessel und lässt dank Synthesizer richtig Stimmung aufkommen.

Was „Throes Of Joy“ eher auszeichnet, ist reichhaltige Abwechslung. Es wird stellenweise sogar richtig experimentell wie beim vorab veröffentlichten „Amoral“, das irgendwie post-punkig anmutet, komplett mit vergleichsweise melodischem Brüllgesang. Noch melodischer, auch atmosphärischer und fast andächtig kommt noch der Rausschmeißer „A Bellyful Of Salt And Spleen“ daher. „Joie De Ne Pas Vivre“ verzichtet ganz auf Gitarren und mutiert zu einem Noise-Punker, bei dem das grimmige Knorzen von Emburys Bass sowie diverse Rauscheffekte eine beunruhigende Stimmung aufkommen lassen sollen; das funktioniert aber nur bedingt, da dem Track kaum eine körperliche bzw. raumgreifende Natur innewohnt.

Vertrautes und Neues im Reich der Grind-Pioniere

Drum herum variieren Greenway und Co. die Intensität ihres Signatur-Sounds konstant, sodass der wilde Rundumschlag mehr im übertragenen denn im Wortsinne erfolgt. „Invigorating Clutch“ ist im Wesentlichen ein schwer groovender Stampfer, der mit atmosphärischer Kante beginnt, dann aber im Midtempo-Stechschritt durchs Gemüse rumpelt. Die Gitarre könnte etwas giftiger zubeißen. Tatsächlich macht sie in „Fluxing Of The Muscle“ genau das, zumal der Song im Mittelteil so richtig aufdreht. „Contagion“ beginnt etwas punkiger mit eingängiger Hook, steigert sich für die Bridge dann aber ebenfalls richtig rein und mutiert bis kurz vor Schluss zum feisten Wüterich.

Abseits davon gibt es auch die heißgeliebten Uptempo-Kracher, bei denen NAPALM DEATH ihre vertrauten Handkantenschläge verteilen, als wäre es nie anders gewesen, und in denen „Throes Of Joy“ seine Muskeln so richtig zeigen kann. „That Curse Of Being In Thrall“ beispielsweise ist ein klassischer ND-Banger, bei dem man die wild kreisende Menge im Pit schon vor dem geistigen Auge sehen kann und der im nackenbrechendem Midtempo endet. Der mit Testosteron voll- und vor Zorn aufgepumpte Punker „Zero Gravitas Chamber“ wandelt sich im Mittelteil in einen herrlich rasenden Hassbatzen.

Die Falten von „Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism“ werden gewohnt beherzt glatt gehämmert

„Acting In Gouged Faith“ beginnt zwar im Midtempo, ist aber deutlich energetischer und breitbeiniger unterwegs wie ein „Invigorating Clutch“ und kommt ebenfalls mit flottem Wutausbruch im Mittelteil daher. Insgesamt ist löblich, dass die Briten vielleicht mehr denn je auf Abwechslung setzen, was „Throes Of Joy“ durchweg frisch hält. Das bedeutet nicht, dass jede einzelne Facette perfekt gelungen ist. Der druckvolle, basslastige Sound, der zumeist pumpt, was das zeug hält, verpasst es beim Tiefpunkt der Platte, „Joie Ne Pas Vivre“, mal ordentlich die Backen schlackern zu lassen.

Da hätte sich der Mann an den Reglern, Wiederholungstäter Russ Russel, bei DAUGHTERS den ein oder anderen Kniff in Sachen Noise-Rock abgucken können. Aber der Rest der Platte bügelt den Ausrutscher glatt, selbst wenn „Invigorating Clutch“ gerne etwas abrasiver hätte klingen können. Somit verbleibt „Throes Of Joy“ ein sehr gutes, wenn auch nicht bahnbrechendes Album der Band. Aber auch ein nicht ganz an die Großtaten aufschließendes NAPALM DEATH-Album ist immer noch eine feine, heftige Angelegenheit, wenn man sich mal zwischendurch wieder richtig die (Hand-)Kante geben möchte.

Ist das neue Album ein Testlauf für die musikalische Zukunft von NAPALM DEATH?

Nur gibt es dieses Mal eben ein paar interessante, musikalische Umwege obendrauf, die so klingen, als würde die Band ihren musikalischen Kosmos expandieren wollen, fast als wäre „Throes Of Joy“ eine Art Testlauf für NAPALM DEATH für künftige Werke. Das ist natürlich nur wilde Spekulation meinerseits, aber Indizien wie die Tatsache, dass die Band zwei der experimentelleren Tracks („Amoral“ und „A Bellyful Of Salt And Spleen“) als Vorab-Songs veröffentlicht hat, sprechen sicher nicht ganz dagegen. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein Anflug an spontaner Experimentierfreude. Wer weiß also, wo es Greenway und Co. als nächstes hin verschlägt, dann hoffentlich wieder mit Harris fest an Bord.

10.09.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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