Napalm Death - Harmony Corruption

Review

Als „Harmony Corruption“ 1990 durch die Boxen bollerte, waren zunächst nicht alle Anhänger der Band von dem Album begeistert. Plötzlich klangen NAPALM DEATH nach Death Metal und der raue und unbändige Grindcore-Faktor wurde um einiges zurückgeschraubt. Zwar waren die Songs immer noch ordentlich energetisch und extrem, aber es regierte eben nicht mehr die volle Harke; es gab nicht mehr das komplette Album durch Stakkato-Tritte in die Weichteile, sondern durchstrukturierte Songs und wohlüberlegte Dynamik. Auch die Spielzeit der einzelnen Tracks, von denen übrigens auch ganz untypisch nur zehn (Vinyl), bzw. elf (CD) auf dem Album zu finden waren, pendelte sich zwischen zwei und fünf Minuten ein, was erstmal äußerst ungewöhnlich für NAPALM-Death-Verhältnisse war.

Manch unverbesserlicher Traditionalist warf NAPALM DEATH im Zuge des aufkommenden Death-Metal-Booms Trend-Anbiederei und Ausverkauf vor, aber die Meisten wurden letztendlich doch von den herausragenden Qualitäten des Albums nachhaltig überzeugt. Die Truppe aus Birmingham wandte sich ab vom stumpfen Geholze der frühen Tage, was vermutlich auch am gravierenden Besetzungswechsel lag, dem die Band seinerzeit ausgesetzt war. Frontbrumme Lee Dorrian wurde bekanntlich durch Mark „Barney“ Greenway ersetzt und die beiden Gitarristen Jesse Pintado und Mitch Harris sprangen für den ebenfalls abtrünnigen Bill Steer ein. Aus dem alten Team übrig blieben Bass-Wusel Shane Embury und Tornado-Drummer Mick Harris, welche die Stange hoch hielten und NAPALM DEATH ein neues, frisches Leben einhauchten.

Egal, ob der heftige und schmerzlose Opener „Vision Conquest“, der Live-Knaller „If The Truth Be Known“, das mit den Stimmen von Glen Benton (DEICIDE) und John Tardy (OBITUARY) zusätzlich veredelte „Unfit Earth“, der Blast-Hammer „The Chains That Bind Us“, das kurze und schmerzlose „Extremity Retained“ oder die Neuaufnahme des Band-Klassikers „Suffer The Children“, NAPALM DEATH waren sich ihrer Sache absolut sicher und strahlten auch genau dies aus. Sie spielten ihre „neue“ Musik vollkommen überzeugend und aus heutiger Sicht ist diese Entwicklung in Hinblick auf die folgenden Alben absolut nachvollziehbar.

Textlich blieb alles beim Alten, außer dass nun aufgrund der längeren Lieder deutlich mehr Raum zur Ausschmückung war, um gegen das System und die korrupte Politik zu wettern.
Als Produzent wirbelte niemand anderes als die Death-Metal-Ikone Scott Burns herum und verpasste der Scheibe neben etlichen hochklassigen Nackenbrechern auch einen amtlichen Wumms im Sound.

1990 zeigte eine (ehemals reine) Hardcore-/Grindcoreband der Death-Metal-Welt, wie man es macht. NAPALM DEATH wurden nun auch vermehrt von Todesmetallern frequentiert und geliebt, was ihnen bis heute anhaftet, selbst wenn die Jungs mittlerweile wieder deutlich rauer zur Tat schreiten.

Als Death Metaller sollte man „Harmony Corruption“ jedenfalls kennen, wenn man in Gesprächen über die großen Alben der frühen 90er mitreden möchte. Hier steppt verdammt nochmal der Bär. Wer’s nicht glaubt, kann sich gerne eines Besseren belehren lassen und sich die Scheibe einmal bei gehobener Lautstärke reinpfeifen. Heiße Ohren garantiert!

01.03.2007
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