Naglfar - Harvest

Review

Seit ihrer Veröffentlichung „Sheol“ (und nicht
„Vittra“, da war mir das „not produced“ und Jens‘ Geschrei zu anstrengend, nicht gerade trve, aber wahr) sind NAGLFAR für mich eine musikalische Ausnahmerscheinung. Diese Scheibe bot dermaßen grandiosen melodischen Bombast-Black-Metal mit rauf und runter schlitternden Gitarrenläufen, wie sie vorher nur von DISSECTION oder DIMMU BORGIR dermaßen passend in die Songs integriert wurden (man denke nur an die Übersongs „I Am Vengeance“ und „Black God Aftermath“). Der Nachfolger „Pariah“ hatte es nach so einer Vorlage erwartungsgemäß schwer dagegen, Jens Ryden war inzwischen ausgestiegen und mit neuem Frontmann ausgestattet gab es einige Kritik seitens der Hörer: das Werk sei nicht so spektakulär, mehr Konsensattitude sei darin, zuviel DIMMU BORGIR-Epigonentum, schwächere Vocals etc. Mir gefiel die „Pariah“ allerdings sehr, sie war vielleicht einen Deut weniger verspielt, aber die Kritiklawine war mir unverständlich. Auch dort gabs Ideen aus dem Füllhorn und, um mal ein Beispiel zu nennen, mit „And The World Shall Be Your Grave“ und der darin enthaltenen prosaischen Textzeile „The Day You Die Is The Day I Smile“ real classic stuff .

Und nachdem Ex-Kollege Jens mit dem Einmannprojekt PROFUNDI zuletzt ganz nett in die Steilvorlage gegangen war, war ich nun umso mehr gespannt aufs neueste NAGLFAR-Opus. Das „Harvest“ betitelte Werk beginnt mit „Into The Black“ trefflich, sanfte, düster einlullende Gitarrenklänge bereiten auf den Gitarrenorkan vor, der, vom aggressiven Keifgesang Kristoffers begleitet auf ein erstes Highlight zusteuert: den von Gitarrensoli begleiteten Pre-Chorus, der dann in einen derwischartig-swingenden melodisch-düsteren Refrain in bandtypischer Weise übergeht. Sehr gelungen, erinnert in Aufbau und Machart an „Sheol“. „Breathe Through Me“ ist viel härter, fast thrashig, bis der typische NAGLFAR-Refrain einsetzt. Überhaupt, das ist eine der Stärken der Band, die gemein-verlockenden Keifrefrains hochmelodisch schwedischer Bauart, sicher nicht unabsichtlich an ältere DISSECTION erinnernd, wobei sie sich nicht so hart am Original bewegen wie es etwa BLACK HORIZONS oder ABYSSOS mal vorgeführt haben. Diese Stärken setzen sie auch in den folgenden Songs „Mirror To My Soul“ und „Odium Generis Humani“ (beide mit sehr starkem Refrain) äußerst adäquat um. „The Darkest Road“ ist das Highlight der Scheibe, ein hymnenhaft-irrwitziger NAGLFAR Song mit typisch hinhaltendem Spannungsaufbau, flirrenden Gitarren und prägnantem misanthrophischem Chorus als Klammer.

Im Arrangieren der Tracks waren NAGLFAR ja schon immer gut. Das bestätigen sie nun mal wieder in der ihnen gemäßen Art: hier ein wenig Groove, da ein atmosphärischer Part, dort düstere verführerisch anmutende Gitarrenläufe und Kristoffers ein wenig dunkler und heiserer als Jens‘ Stimme klingende Vocals, dazu die über allen Gitarrenblitzen thronenden Drums, die alles zermalmen, was ihnen in der felsigen Bergschlucht in die Quere kommt, das ergibt ein stilechtes bombastisches Klanggewitter. Bisweilen, bei den schnelleren Parts, gibt es Ähnlichkeiten zu ihren Brüdern im Geiste (und Körper) SETHERIAL, die allerdings weitaus karstiger, kratziger klingen und nicht ganz so mitreißend filigran agieren. Und in manch einer Passage werden sogar Erinnerungen an frühere SACRILEGE, IN FLAMES oder GRIEF OF EMERALD wach, vor allem in Nachbarschaft zum Chorus und hinsichtlich der Schwedenmelodik.

„Way Of The Rope“, „Plutonium Reveries“ und „Feeding Moloch“ zeigen NAGLFAR sehr hart, berserkerhaft und rasend, wobei selbiges nie in hektisches Riffgeschiebe oder zerhacktes Songwriting ausartet, sondern immer fließend, organisch und melodisch bleibt. Diese Songs ähneln einander durchaus in Aufbau und Melodik, dennoch: es ist wie ein Rausch, Geschwindigkeit, Trance, Verzweiflung, aber auch die nicht weit davon entfernte Euphorie bestimmen das Hörerlebnis. Und gut geeignet, Spannung, Streß oder Wut abzubauen. „Harvest“ beschließt das Album hymnisch, der rasende Höllenritt hat nunmehr ein Ende, es ist abgeerntet… Herbst eben. Orientalische Gitarren begleiten auf die Reise durch Düsternis und Zwielicht. Der weit ausholende Refrain erlaubt dann allerdings eine Hinwendung zur Sonne, zum Morgen, das rettende Ufer ist erreicht, ein Ausatmen erlaubt. Fast erinnert es von der Melodieführung in Refrainnähe ein wenig an DARK TRANQUILLITY.

Für Black-Puristen ist das natürlich nichts. Es ist ein Gebräu für Anhänger von melodischem Death Metal, traditionellen Metalspielarten und schwedischer Schwarzmelodik. Einzig die Tatsache, dass NAGLFAR in manchen Songs mehr auf Härte als auf Atmosphäre setzen, kann für manch einen Hörer gewöhnungsbedürftig sein. In jedem Fall will das Ganze laut gehört werden, man ist dann nur zu leicht versucht, selbst Abrissbirne zu spielen. Richtig vergleichbar sind NAGLFAR eigentlich mit keiner derzeitig existierenden Band, zu einzigartig gehen sie vor. Zu loben ist auch das typisch-düstere Travis Smith-Cover, dass den goldenen Faden von „Sheol“ und „Pariah“ fortspinnt. Jens und PROFUNDI haben sie damit locker abgehängt. Und eines steht fest: NAGLFAR bleibt Garant für Qualität und eine musikalische Konstante auf hohem Niveau.

08.02.2007
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