Nachtreich - Sturmgang

Review

Nach seinem 2006er Demo „Von Dornen und Selbstmord“ macht das bayerische Duo NACHTREICH dieses Jahr sein nächstes Release einem Teil der Öffentlichkeit zugänglich. Auf 200 Einheiten limitiert erscheint sein Demo „Sturmgang“ über die sonst im Black Metal verwurzelte Klangschmiede Seelenkrieg Records.

Nun hat „Sturmgang“ mit Black Metal nicht mehr als eine gewisse atmosphärische Schnittmenge gemein. Dennoch drängt sich die stilistische Verortung in dessen Nähe irgendwie auf. Das mag zum einen an den gewählten Titeln liegen, die dem gängigen Duktus nicht allzu fern sind. Zum anderen vermitteln NACHTREICH einen Anspruch, sog. E- und U-Musik in sich zu vereinen, wie man ihn häufig auch im Black Metal findet.

NACHTREICH drücken sich ausschließlich instrumental aus. Bratsche, Violine, Klavier, Gitarre und Schlagzeug sind die Zutaten, derer sich die beiden Protagonisten bedienen. So sehr sich damit ein Vergleich mit APOCALYPTICA auch anbieten mag, er verbietet sich gleichzeitig durch die weitaus weniger poppige, dafür klassischere – und man möchte fast sagen: ernstere – Herangehensweise NACHTREICHs an die Musik. „Sturmgang“ ist weit entfernt vom Schwips eines metallischen Rondo Veneziano, aber auch lange nicht so seltsam verschwurbelt wie die letzten DORNENREICH.

„Sturmgang“ gefällt durch ungeheuer eingängige, schöne Melodien, die sich schon nach dem ersten Hören anfühlen wie alte Bekannte. Besonders über Kopfhörer gehört entfaltet die Scheibe – pardon: die Kassette – besondere Intensität und teils hypnotisierende Wirkung. Starke Themen und deren behutsame Variation legen einen roten Faden frei, der das Ganze wie aus einem Guss erscheinen lässt. Dabei scheint auch die Entscheidung für das Medium Kassette eine durchaus bewusste zu sein: denn schon aufgrund der begrenzten Möglichkeiten des Mediums kommt „Sturmgang“ mit reichlich klanglicher Patina daher, die den Höreindruck und die Atmosphäre noch unterstreicht.

Zwar lag mir das Material zur Rezension dankenswerterweise digital vor, was das Unterwegshören natürlich um einiges vereinfacht hat. Allein der Vorgang des Aus-dem-Regal-holens und Einlegens der Kassette ins Deck anstatt eines allzu alltäglich gewordenen Doppelklicks dürfte aber gewollt sein, erzwingt es doch eine bewusste Entscheidung für und eine Auseinandersetzung mit der Musik. Vinylsammler werden das kennen. Die Wahl eines so vergänglichen Mediums wie der Kassette mag man dabei romantisch als Verlängerung einer inhärenten Vanitas-Symbolik verklären, als Credibilityfrage einstufen oder an wirtschaftlichen Belangen festmachen. Wie auch immer: der Musik schadet sie nicht und man kann nur hoffen, dass „Sturmgang“ noch irgendwo konserviert ist, wenn die Bänder irgendwann abgenudelt sind.

29.03.2009

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