Nachtmystium - Addicts: Black Meddle Pt. II

Review

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Dass die US-Amerikaner NACHTMYSTIUM um Blake Judd sich lange nicht mehr um Konventionen und Genre-Zugehörigkeiten scheren, hat man sicherlich schon auf den zunehmend experimentellen 2006er- und 2008er-Alben „Instinct: Decay“ und „Assassins: Black Meddle Pt. I “ mitbekommen. Im Gegensatz aber zu etwa DARKTHRONE, die zwar eine ähnliche LMAA-Attitüde fahren, sich jedoch sehr betont Old School geben, ist der Ansatz der vier Herren aus Illinois doch ein anderer, denn sie scheuen neben dem Zitieren klassischer Bands nicht den Blick nach vorn; suchen nach neuen Mitteln und Kombinationen, finden darüber Originalität.

Während „Assassins: Black Meddle Pt. I “ die auf „Instinct: Decay“ dämmernden PINK FLOYD-Einflüsse weiter ausbaute, fokussiert die im Jahr 2000 ins Leben gerufene Truppe mit den zahllosen Besetzungswechseln auf auf ihrem mittlerweile fünften Album „Addicts: Black Meddle Pt. II“ nun die Verwendung elektronischer Elemente. Aber keine Sorge, man hat es nicht übertrieben, sondern findet eine gute Dosierung und letztlich erscheint die sehr abwechslungsreiche Mischung aus erneut ein gutes Stück weiter in den Hintergund tretendem Black Metal, Psychedelic Rock, Post-Punk und Industrial-Anleihen verdammt stimmig, wirkt zu keiner Zeit der guten Dreiviertelstunde zwanghaft gewollt und auf Teufel komm raus innovativ.
Zwischen treibenden und fast zeitgleich schwelgerischen Riffs gibt es zahlreiche Details zu entdecken, die dem trotzdem und glücklicherweise nicht überproduzierten, sondern dunstig-erdig klingen Album eine enorm hohe Halbwertszeit verleihen. Dem Gesang hört man größtenteils noch deutlich an, dass er aus dem Black Metal kommt, aber er ist nicht selten recht gut verständlich und mittlerweile eine mal mehr, mal weniger angeschwärzt krächzende, mitunter leicht verzerrte Rock-Stimme, die auch keine Angst vor gelegentlichen Melodieausflügen hat.

Beim Industrial-mäßigen Intro buchstabieren giftig-dunkle Stimmen den Titel „Addicts“ im Cheerleader-Stil, der eigentliche Opener „High On Hate“ ist ein für neue NACHTMYSTIUM-Verhältnisse recht klassisch schwarzmetallisch gehaltenes Stück, eine psychedelische Black-Metal-Hymne im „Assassins“-Stil, die mit einem markanten Schrei beginnt und durch prägnante, teilweise gar fröhlich wirkende Gitarrenläufe einen beachtlichen Charme versprüht. „Nightfall“ gibt sich rockiger, sphärischer und sehr eingängig, das folgende „No Funeral“ kommt mit deutlicher Industrial-Schlagseite daher, eine hypnotisch begleitende Keyboard-Melodie und ein stampfender Rhythmus prägen den Fünfminüter. „Then Fires“ geht dann wieder mit weniger Spielereien und Schnörkeln als ein behäbiges, sehr atmosphärisches Stück Schwarzstahl durch.
Das (im positiven Sinne) schon beinahe poppige Titelstück „Addicts“ zeigt den KILLING JOKE-Einfluss des Albums am deutlichsten, bezieht seinen Reiz insbesondere aus dem die Strophen kontrastierenden, leicht verfremdeten Klargesang im Refrain, während das siebenminütige „The End Is Eternal“ wieder mehr Black-Metal-Vibe verströmt und sich das Gekeife gegen Ende gar steigert. Mit „Blood Trance Fusion“ folgt eine von verrückten Effekten durchzogene, rotzig-schwarz vokalisierte Granate, bevor das schwermütige und dabei doch tatsächlich tanzbare „Ruined Life Continuum“ dann schon langsam das Tempo drosselt und auf das achtminütige „Every Last Drop“ vorbereitet, das mit akustischem Gezupfe beginnt und sich auch im weiteren Verlauf in seiner ruhigen Art als prädestinierte Nummer, ein überzeugendes Album zu beschließen, entpuppt.

Frisch, anders, ehrlich, unbefangen, immer noch überraschend und trotzdem (noch) nicht die schwarzen Wurzeln verleugnend – all das sind Vokabeln, die einem beim Versuch, „Addicts: Black Meddle Pt. II“ in Worte zu fassen, in den Sinn kommen. Denn erneut liefern NACHTMYSTIUM ein atmosphärisches und spannendes, verträumtes und doch mitreißendes Stück Musik ab, das sich unglaublich leichtfüßig zwischen den weiter an Boden verlierenden, aber noch in ausreichendem Maße vorhandenen Black-Metal-Relikten, Psychedelic Rock und Industrial-Anstrich bewegt und dabei teilweise gar mit einem angenehm dezenten Pop-Appeal versehen ist. Bei derart locker verschwimmenden Genre-Grenzen ist ein so enorm reizvolles und unverbrauchtes Werk geboren worden, dass sich die Black-Metal-Puristen die Frage gefallen lassen müssen, ob ein solch originelles und authentisches Stück Musik nicht definitiv gewinnbringender ist, als ein schlecht gemachtes, siebenhundertvierundachtzigtausendstes „Under A Funeral Moon“-Plagiat.

NACHTMYSTIUM haben ein weiteres Mal eindrucksvoll bewiesen, dass man im Metal-Sektor auch nach all den Jahrzehnten noch mit Neuem und Unverbrauchtem aufwarten kann: „Addicts: Black Meddle Pt. II“ ist dem unkonventionellen Vorgänger bei fortschreitender stilistischer Öffnung ein ebenbürtiger Nachfolger und macht dem Bandnamen erneut alle Ehre – ein traumähnliches Gebilde, das sich aus mannigfaltigen Einflüssen heraus in stetig verformenden Gesichtern zeigt.

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24.05.2010

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3 Kommentare zu Nachtmystium - Addicts: Black Meddle Pt. II

  1. Anonymous sagt:

    Schon alleine für "No Funeral" müsste man "Addicts: Black Meddle Part II" schlachten und auch die passableren Songs wie "Addicts" oder "Every Last Drop" können das leider auch nicht mehr retten. Soll es vielleicht experimentell sein, dass das Ganze nicht synchron und somit unausgewogen klingt? Ein Beweis, dass nach einem Knaller-Album wie "Assassins" noch lange nicht immer mit einem gleichwertigen Album gerechnet werden kann, wie man auch an Watains langweiliger Scheibe "Lawless Darkness" erkennen kann. Furchtbar!

  2. nordmadr sagt:

    Experimentell; weg vom Einheitsbrei und mit der nötigen Härte versehen, rotzen NACHTMYSTIUM einen Hit nach dem anderen aus den Boxen, dass es nur so kracht. Hier gibts eine gehörige Portion: Experimental/Psychedelic Metal, der seine schwarzen Wurzeln nicht versteckt!
    Während viel pseudo-Underground-Bands noch schlecht produzierten und langweiligen BM in Garagen aufnehmen und ihn als Kult verkaufen wollen, wachsen NACHTMYSTIUM von Werk zu Werk weiter und spielen finsteren Metal, der einfach ins Ohr geht und voll überzeugt. Für die Open-Minded-Fraktion: ~~~ Bisher das beste Album 2010! ~~~

    10/10
  3. wishmaster89 sagt:

    Addicts ist mein erstes Album von Nachtmystium und ich habe mich ohne eine Hörprobe von den durchweg guten Kritiken verleiten lassen diese CD anzuschaffen, ein Fehler wie sich im Nachhinein herausgestellt hat. Die Beschreibung Black Metal passt nur in ca 5% der Gesamtspielzeit und das auch nur beim Gesang. Sonst übernehmen progressive Passagen, stark Keyboard-lastig die Oberhand. Ich würde diese Musik als eine Mischung aus minimal Melodic Black, Melodic Death und progrssiven Elementen bezeichnen, wobei diese strak dominieren. Vom Grad der Härte ist das Ganze eher im Dark Metal Bereich anzusiedeln. Auch die Tatsache, dass diese progressiven Elemente postitiv hervorgehoben wurden, hat bei mir die Hoffnung geweckt, dass es sich hier um eine Stilrichtung vergleichbar mit Absu handelt, aber auch das ist leider nicht der Fall. Auch nach mehreren Hördurchläufen konnte ich mich mit diesen schleppenden Songs nicht so wirklich anfreunden. Fazit: Wer hier hochklassige Vertonungen allà Absu sucht, sucht vergebens. Auch wer eine harte Scheibe schwarzmetallischer Wutausbrüche sucht ist ebenfalls falsch. Wer allerdings ruhigeren Metal, wenig gitarrenlastig und tempomäßig im unteren berich agierend bevorzugt, kann bedenkenlos zugreifen. Mir ist das ganze allerdings zu monoton und unspektakulär.

    2/10