My Sleeping Karma - Atma

Review

Soundcheck Juli 2022# 4

Nicht weniger als sieben Jahre sind seit dem letzten Studioalbum „Moksha“ ins Land gezogen, ehe MY SLEEPING KARMA mit „Atma“ ein neues Album veröffentlichen.

Schwierige Zeiten

MY SLEEPING KARMA haben zuletzt durchwachsene Zeiten erlebt. Erschienen die ersten vier Alben im 2 Jahrestakt, liegt zwischen „Moksha“ und „Atma“ eine Zeitspanne von nahezu der Hälfte der Karriere der Band, die noch immer in unveränderter Original Besetzung zusammen ist. Die seit Anfang 2020 wütende Coronavirus Pandemie, welche negative Auswirkungen auf die gesamte Musik-, Kultur- und Veranstaltungsbranche hatte, machten einen Teil der schwierigen Zeit aus. Aber MY SLEEPING KARMA erlebten Schlimmeres, standen am Abgrund. Krankheit, Tod, Existenzängste machten ein Ende der Band für die Mitglieder plötzlich denkbar. Diese prägenden Tiefpunkte und persönlichen Prüfungen führten zu „Atma“, an welchem bereits seit 2017 gearbeitet wurde, dem bisher dunkelsten Album von MY SLEEPING KARMA.

„Atma“ – dunkel und emotional

MY SLEEPING KARMA ziehen ihr eigenes Ding weiter durch, fern ab jeglicher Trends. Instrumental, irgendwo zwischen Psychedelic, Stoner und Post Rock in ihrer eigenen Nische, die sie immer weiter ausbauen. „Atma“ entstand in einer Zeit, welche die Hypnotic-Rocker aufgrund von persönlichen Problemen an den Rand ihrer Kräfte brachte, und das hört man dem Album auch deutlich an. Das Werk verbindet die emotionale Bandbreite von „Soma“ mit der Unmittelbarkeit von „Moksha“. Der Albumtitel verweist auf das hinduistische Konzept des Selbst und die Rolle des reinen Bewusstseins, individuell als auch auf globaler Ebene, für die Entwicklung der Welt. Es scheint, so etwas wie die Katharsis von MY SLEEPING KARMA zu sein. „Atma“ ist schärfer, finsterer und auch persönlicher als alle vorherigen Alben.

Das macht auch gleich das deutlich düstere, in dunklen Farbtönen gehaltene Cover von Sebastian Jerke (AUDREY HORNE, BE’LAKOR) deutlich, das einen mürrischen Ganesha zeigt, der eine zerrüttete Welt in seiner Hand hält. Nichts mit gelassener Glückseligkeit, stattdessen eher ein Blick in den Abgrund.

Grundsätzlich ist „Atma“ aber schon typisch MY SLEEPING KARMA. Intensiv, ultramelodisch, leichtfüßig, hochdynamisch, atmosphärisch dicht, mit mitreißenden, beständig wiederkehrenden Rhythmen innerhalb der schwebenden, fast transzendentalen Musik. Hypnotisch wellenartige Klangkulissen, mit energiegeladenen Drehungen und Wendungen, die fesseln. Und wo viel Dunkelheit ist, strahlt das Licht umso heller. Die epischen, durchweg mit hinduistischen Begriffen betitelten Songs geben insbesondere den astrein integrierten, spacig-progressiven Keyboards/Synthesizern viel Raum, um sich zu entfalten und entsprechend zu wirken, weg von bodenständig erdig in ätherische Sphären. Die teils spacigen Gitarren haben die hypnotischen, einprägsam orientalischen Melodien von „Moksha“ beibehalten, was etwas an frühe AMORPHIS erinnert. Dazu rockig psychedelische Riffvariationen und breit wummernde Bass-Grooves.

Ein Merkmal von MY SLEEPING KARMA ist es, dass die Band meist danach strebt, die Spannung in den Songs beständig aufzubauen, neue Komponenten hinzuzufügen, bis hin zu einem sich entladenden Höhepunkt im Mittelteil, nach welchem feinfühlig und intensiv zum Ende hin zelebriert wird. Das gelingt ihnen auch vorzüglich beispielsweise im dunklen, traurigen „Mukti“, in welchem der Schmerz schon fast greifbar wird. Die Melancholie schwingt auf „Atma“ immer mit, mal nur fein nuanciert, dann wieder vordergründig. In jedem Stück schaffen es MY SLEEPING KARMA, uns tief in ihr verletztes Seelenleben blicken zu lassen, aber auch wieder Licht am Horizont zu sehen. Herzstück des Albums ist das knapp zehnminütige, sehr intensive und vereinnahmende „Avatara“. Lediglich „Pralaya“ ist etwas unzugänglich ausgefallen.

Alles in allem haben MY SLEEPING KARMA mit „Atma“ einen emotionalen, hochmelodisch einprägsamen Soundtrack zu ihrem Gefühlsleben geschaffen.

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26.07.2022

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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