Echte Männer sind stark. Mag sein, allerdings gehört zu mentaler Stärke auch ein ausgewogenes Gleichgewicht von Härte und Gefühl. MUSTASCH beherrschen bekanntlich beide Tricks und bauen ihr aktuelles Album „Testosterone“ erfolgreich darauf auf. Noch schlimmer: Die Schweden wagen sich mit „Yara’s Song“ sogar eine, wenn auch knarzige, rockige Ballade inklusive Streicher an den Anfang zu setzen. Alter Schwede, den Schneid muss man erst einmal haben. Allerdings gibt es auch wenige Fronter, die wie Ralf Gyllenhammer auf eine gleichermaßen erdige und warme Klangfarbe aufbauen können.
Wer hat, der kann und so mischen die Schweden im weiteren Verlauf von „Testosterone“ zwar nicht vorhersehbar, dafür aber gekonnt zwischen hart und weich durch. Hardrocker-Träumchen, wie die epische, emotionale Bestandsaufnahme „The Rider“, manifestieren, zu welchen Glanztaten MUSTASCH fähig sind. Vorhersehbar ist somit lediglich die angenehme Grundqualität, die anderen Bands so häufig schmerzhaft fehlt und auf der MUSTASCH mühelos aufbauen können. „Down To Earth“ darf gerne als Referenz für MUSTASCH herhalten, inhaltlich und drucktechnisch sind das genau die Herren, wie wir sie lieben und wie sie live am meisten reißen. Das entspannt, das rockt und schubst den Hörer weg von Frickelei und Breakdowns, denn wo MUSTASCH die Boxen zum Beben bringen, da kommt purer Rock raus. „Dreamers“ überspannt den Bogen etwas, denn die tollkühne Attitüde weicht einer etwas seichten Nummer, zu der man sich auch gerne erst im Stehblues, und dann im Discofox durch die Dorfdisse schieben lassen kann. Die Achtziger lassen grüßen und auch der kurze Doublebass-Ausrutscher am Ende kann den Karren nicht mehr aus dem süßen Dreck ziehen.
„Be Like A Man“ erinnert verdächtigt an MUSE und zeigt die Göteborger auf ihrem kreativen Höhepunkt. Erfolgreich verwursteln MUSTASCH alles, was die Synthies und Chorfraktion hergeben. Der Sound von „Testosterone“ klingt insgesamt sauber und angenehm, aber auch etwas zu flach und gerade die härteren Stücke könnten eine Spur mehr Wucht im tiefen Bereich vertragen. MUSTASCH werden niemals ein Stadionmagnet sein, sind keine handelsüblichen Hit-Lieferanten, überzeugen aber endlich wieder mit einem soliden Gesamteindruck. „Testosterone“ ist hemdsärmelig und gelungen – aber ohne Bäume auszureißen oder Jubeltänze auszulösen.
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