NATURLIEBE UND MENSCHENHASS
Viel lässt sich im Netz nicht über das schwedische Duo MURG herausfinden – im Grunde waren das schon die beiden Eckdaten, die auf jeder Seite zu lesen sind: „schwedisch“ und „Duo“. Aus Bergslagen kommen sie, die zwei Köpfe hinter dem Projekt – ein weiterer Punkt. Und: Ihr Black Metal ist auf einem weltanschaulich zutiefst ökologischen Fundament gebaut – was aber nicht heißt, dass es sich bei MURG um postig-verschlafene „Hach, wie schön der Wald doch ist“-Hippies und bei deren Debüt „Varg & Björn“ um ein melancholisch-verschlummertes Post-Black-Metal-Album handelt.
Ein Blick in die Presseinfo gibt Aufschluss über das philosophische Fundament von „Varg & Björn“ (zu Deutsch: „Wolf und Bär“): Die Natur ist der zentrale Anker aller Dinge, das haben MURG für sich erkannt, und der Mensch versagt auf regelmäßiger Basis dabei, in Einklang mit diesem Grundpfeiler allen Lebens zu treten. Zivilisation wird von dem Duo konsequenterweise als Mythos aufgefasst, welcher den einzigen Gott – die Natur – überschattet.
ZWISCHEN MELANCHOLIE UND ROHER HÄRTE
Dieser Exkurs ist nicht unwichtig, um das musikalische Konzept hinter „Varg & Björn“ zu verstehen. Darauf spielen MURG nämlich archaischen Black Metal der alten norwegischen Schule. Damit hätte man das Album zwar stilistisch eingeordnet – und das ist auch nicht verkehrt -, aber trotzdem würde man der Musik des Duos damit nicht gerecht werden. Denn einer der größten Pluspunkte des Albums ist, dass sich MURG auf ihrem Debüt extrem gekonnt zwischen zwei Polen hin- und herbewegen: Einerseits ist „Varg & Björn“ zutiefst melodisch, melancholisch und von einer hier leichteren, dort stärkeren depressiven Stimmung durchzogen, frühe ULVER oder frühe ENSLAVED drängen sich nicht selten als Vergleiche auf. Und trotzdem kann nicht von einem depressiven, nicht von einem melancholischen Album die Rede sein, denn andererseits sind die etwa 38 Minuten durchzogen von einer rohen Härte und jener „grausamen Schönheit“, wie sie damals von den norwegischen Genregrößen der Neunziger perfektioniert worden ist.
MURG spiegeln in ihrer Musik also den oben beschriebenen Gegensatz zwischen Naturliebe und Menschen- bzw. Zivilisationshass wider; und das auf sehr gelungene Weise. Beide Anteile der Musik werden auf „Varg & Björn“ gekonnt zu einem runden Ganzen zusammengeführt; einem aggressiven Part ganz im Sinne früher GORGOROTH folgt eine traurige Leadgitarre; ein kalter Prügelpart wie vom IMMORTAL-Debüt findet eine Melodie, die auch der ersten ULVER gut gestanden hätte. Höhepunkt des Albums ist aber – neben all den ergreifenden Melodien – vor allem „Farsoternas Afton“, das sich im schleppenden Midtempo vorbewegt, dabei mit seinen finsteren Gitarren eine morbide Atmosphäre mit Gänsehautfaktor ausbreitet und düsterer wirkt als manche orthodoxe Satanskapelle.
OLD SCHOOL? NA JA …
MURG haben mit „Varg & Björn“ ein beeindruckendes Stück Old School Black Metal geschaffen, das aber nur oberflächlich und bei erstem Hinhören so wirklich unter die Bezeichnung „old school“ fallen will. Wer sich näher mit dem Konzept hinter der Musik beschäftigt und sich auch tiefgehend mit dem Album selbst befasst, der findet Detailreichtum und Kunstfertigkeit en masse. Beides sorgt dafür, dass das enge Korsett namens „old school“ zu jeder Sekunde höchstens ansatzweise auf MURG zutrifft. Und ein Musiker, der es schafft, so viel Sehnsucht, Melancholie und Liebe zu Natur und Schönheit einerseits und so viel (produktiven) Hass und Wut auf ein und dasselbe Album zu packen, ohne dass das Endergebnis nach einem stilistischen oder emotionalen Stückwerk klingt, für den schickt sich eine derart eindimensionale Schublade eh nicht.
….weil ich nirgends einen Murg Patch bekommen, gibt es hier nur 9 von 10.
wenn man Bereitschaft hat, sollte man nicht schreiben!