MRTVI ist das Soloprojekt des Serben Damjan Stefanovic und spielt etwas, das irgendwann mal Experimental Black Metal war, sich jetzt aber weit darüber hinaus entwickelt hat. Das zweite Album des Projekts trug den schönen Namen „Negative Atonal Dissonance“ (NAD), was laut Stefanovic auch als Genrebezeichnung des Projektes herhalten kann. Man ist geneigt, sich dem anzuschließen. War „NAD“ aber über weite Strecken improvisiert, ist das neue Album „Omniscient Hallucinatory Delusion“ (OHD) bis auf den letzten Ton durchkomponiert, wobei auch die Produktion als „Instrument“ im weitesten Sinne eingesetzt wird
MRTVI — Kunst und Chaos
Die zwölf Tracks des Albums sind dabei eigentlich nur vier (über-)lange Songs, die nur auf Bitten des Labels in kleinere Happen zerteilt wurden, ohne dadurch leichter verdaulich zu werden. „OHD“ will und soll als ganzes gehört werden, da die einzelnen Teile sonst keinen Sinn ergeben und nichts übrig bleibt außer unspezifischem Lärm.
Viele werden bereits an dieser Stelle entschieden haben, was sie von MRTVI halten — was Stefanovic hier macht, ist Musik die sich als Kunst sieht und als solche wahrgenommen werden will. MRTVI ist ein Projekt, das Grenzen austestet, verschiebt, übertritt und zerstört. Und dabei reden wir nicht von den Grenzen dessen, was man noch (Black) Metal nennen kann, sondern sogar von den Grenzen dessen, was man noch als „Musik“ bezeichnen kann oder möchte. Wenn ich Bands nennen müsste, an die mich MRTVI erinnern, dann würde ich LITURGY nennen, die mit einer ähnlichen Kompromisslosigkeit zu Werke gehen, und den irren Franzosen Asthâgul (ESOCTRILIHUM), wobei sich MRTVI generell gut im Line Up von I, Voidhanger Records machen würde.
Die Beschreibung des Unbeschreiblichen
Musikalisch gibt es hier etwas, das man im ersten Moment als „Krach“ bezeichnen möchte. Vielleicht auch im zweiten oder dritten. Die Zutaten an sich sind dabei erstmal nichts, was man nicht aus dem Black Metal kennen würde: Dissonante Gitarren, krankes Geschrei und Gegrunze, ein Drumkit, das mit rasender Geschwindigkeit scheppert und klirrt. Aber das, was MRTVI damit macht, ist weit mehr als nur die Summe seiner Teile. Und man muss sich darauf einlassen, sich wirklich die Zeit nehmen, um zu erkennen, dass der Wahnsinn durchaus Methode hat. In den dissonanten, chaotischen Momenten ist „OHD“ aggressiv, gewalttätig, im besten Sinne expressiv.
Aber trotzdem ist zu spüren, dass hier jemand am Werk ist, der in jedem Moment die Kontrolle über die disparaten Sound-Ebenen behält. Und MRTVI kann nicht nur rasend schnelles Geschepper, sondern auch abgründige Langsamkeit, wie im Mittelteil von „Condemned to Life“, das am Ende sogar mit einer betörend schönen Melodie aufwartet. Der zweite Teil von „There is no Hope“ wird getragen vom „Aaaa“ eines mehrstimmingen Chors, ergänzt durch Sounds aus dem Synthesizer, hoch- und runtergepitcht, singend in Harmonie und Disharmonie, bevor im letzten Teil wieder das Geprügel des völlig roboterhaft klingenden Schlagzeugs und die dissonanten Gitarrenleads zurückkommen.
Ein Album voller Paradoxa
Und der Anfang von „View of Denial“ bietet cleanen Gesang über einer fast bluesigen Bassline, wird durch das enervierende Getrommel und die Synths aber zu etwas, das man eher in Silent Hill als New York verorten möchte. Insofern ist der Einstiegssong, „Cosmic Sadness“, fast das schwächste Glied in der Kette, da sich die experimentelle Seite fast nur im dissonanten Gehacke zeigt und kein wirklich spannender Moment kreiert wird — abgesehen von der Melodie, die Cycles of Suffering beendet.
Wenn man sich auf diese allwissende, halluzinatorische Wahnvorstellung einlässt, weiß man also nie, was einen hinter der nächsten Biegung erwartet. Das ist erfüllend und anstrengend. Das ist großartige Kunst und völlig überfrachteter Schwachsinn. Das ist, wie atmosphärischer Black Metal klingen soll und die Richtung, die Black Metal bitte niemals einschlagen darf. Das ist ein Album, das sich fast nicht auf einer Skala von 1-10 bewerten lässt, weil man ein Album wie dieses nur lieben oder hassen kann. Kompromisslos, gnadenlos, subjektiv.
Review von Bernhard Rübenthal
>Kompromisslos, gnadenlos, subjektiv.<
Das, besonders der letzte Punkt, trifft es ganz gut. Hier frage ich mich echt "Ist das Kunst oder kann das weg?". Hm..
Genau so klingt für mich ein normaler Wochentag in der Großstadt, durchsetzt mit Baustellen, Laubsauger, Sirenen, Gekreische etc..
Also wenn es mal zu ruhig in Corona Zeiten durch den Lockdown wird, und wer die Laute des normalen Alltags aus einer Großstadt genießen möchte, für den ist dieses Album unbedingt empfehlenswert!
Geht doch eigentlich, da kenne ich Jazz-Alben, die mehr Krach sind, mal ab von Genres wie Harsh Noise. Für eine Bewertung müsste ich mal die ganze Platte hören, der kurze Ausschnitt oben vermittelt aber schon mal eine angenehm unangenehme Atmosphäre. In der richtigen Stimmung kann ich mir sowas schon mal sehr gut geben, zumal ich ein Faible für schräge Sachen vom Balkan habe. Wem das da oben ansatzweise zusagt, sollte bei Youtube mal nach Pogavranjen suchen. Mrtvi heisst auf Bosnisch übrigens „tot“ …
Edit – nach Hören der vier Vorabtracks auf Bandcamp und der Vorgängeralben gehe ich bei 8 Punkten locker mit bzw erhöhe auf 9. Geiler, kranker Scheiß. Das da oben ist übrigens das Outro der Platte, also nicht ganz representativ.
Weiß nicht… finde dieses Mathgedudel eher anstrengend als das es mich in irgendeiner Weise beeindruckt. Bin sehr für experimentelle Sachen oder alles was sich etwas vom viel zu übersättigten „Markt“ (zumindest ein wenig) abhebt. Wenn sowas dann lieber die selbstbetitelte von Murmuüre oder so richtig kaputtes Zeug wie RXAXPXE. Damit kann ich mehr anfangen… auch wenn das hier nichts schlechtes ist.
Also für mich unhörbar, die Frequenzen stressen mich ja völlig. Ist gar nichts für mich. Gibt so Sachen, die muss ich nach 1-2 Minuten ausmachen, weil mir mein Kopf wehtut. Über den künstlerischen Wert kann ich fast nichts sagen, aber mein Black Metal, oder was auch immer das darstellt, wäre das nicht. Gar nicht. Subjektive 03/10