Mr. Bungle - Mr. Bungle

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Aus der Sicht von Mike Patton lässt sich recht plakativ aber doch faktisch richtig festhalten: „Vor FAITH NO MORE war da MR. BUNGLE“, eine 1985 in der High School von ihm sowie Trevor Dunn, Trey Spruance, Theo Lengyel und Jed Wattsbei gegründete Band. Mit FAITH NO MORE sollte er erst ab 1988 richtig steilgehen, zunächst mit „The Real Thing“, später natürlich mit „Angel Dust“.

Interessant ist die Nomenklatur hier: Der Name wurde zunächst einer gleichnamigen Figur aus einem Kurzfilm der Pee-Wee Herman Show entliehen, bevor man bemerkte, dass dies auch der Name eines Charakters im Pornostreifen „Sharon’s Sex Party“ ist. Beides wird auf dem selbstbetitelten Debüt aufgegriffen, doch dazu gleich mehr.

Gestatten, MR. BUNGLE.

MR. BUNGLE fahren im weiteren Sinne einen experimentellen Stil mit einem unter anderem durch Bläser ergänzten Rock-Lineup, fügen ihrem Sound immer wieder Elemente von Ska und vor allem Funk hinzu und werfen gerne metallische oder anderweitig lärmende Versatzstücke hinein. Hin zu ihrem hier vorliegenden Debütalbum, das 1991 erscheinen sollte, veröffentlichte die Band vier Demotapes unter einigen Besetzungswechseln, in der sich die musikalische Entwicklung hin zum vertonten Wahnsinn, der sich auf dem selbstbetitelten Debütalbum und dessen Full-Length-Nachfolger „Disco Volante“ präsentiert, abzeichnete.

Das nur mal, um kurz den Hintergrund anzureißen. Doch was geht auf dem vorliegenden Debüt ab? Eine ganze Menge, wie sich herausstellt. Salopp gesagt: Wenn Mike Patton seine Schädeldecke öffnet und einfach mal laufen lässt, was sich da drin so tummelt, dann sollte man als Schlager-Fan schleunigst in Deckung gehen. Das ist heute so – und das war damals nicht anders. Und schon damals arbeitete Mike Patton mit John Zorn zusammen, einem Komponisten und Organisten der Moderne, der sich in diesem Falle jedoch hauptsächlich für die Produktion dieser Platte verantwortlich zeichnete. Georgelt wird auf diesem Album dagegen eher beiläufig.

Mike Patton und der psychotische Lärm-Zirkus

Das Ergebnis: Das musikalische Äquivalent zu einem Clownsauto. Kaum größer anmutend als ein durchschnittlicher Opel Corsa, zerren Mike Patton und Co. einen stilistischen Genreversatz, teilweise auch Genrefetzen nach dem nächsten aus dem armen Ding heraus und stopfen davon so viel wie möglich bzw. verträglich in einen einzelnen Song hinein. Von einem Clownsauto ins nächste sozusagen, wobei der Fokus auf den Song erstaunlicherweise erhalten bleibt. Wie viel in so einen Track hineinpasst, ohne dass er auseinander fällt, ist schon staunenswert und präsentiert sich als kunterbunte Reizüberflutung, die den Hörer schon mal an die Wand drücken kann.

Zunächst begegnen einem 30 Sekunden Stille auf dem eröffneden „Quote Unquote“, das eigentlich mal „Travolta“ heißen sollte. Wenn man genau hinhört, ist ein Schnarchen zu vernehmen. Etwas Glas klirrt und plötzlich bricht ein finsterer Metal-Ausbruch über den Hörer herein. Die Band setzt quasi ihre Keule trocken beim nichts ahnenden Rezipienten an und versenkt diese sogleich auch. Im weiteren Verlauf windet sich der Song durch sinister verzerrten Ska, kleinere Swing-Einschübe und wiederholte Ausbrüche, um schließlich bei einem wie eine Gans schnatternden Saxofon zu landen.

Kontrolliertes Chaos statt berechenbarer Ordnung

Im weiteren Verlauf gewinnt vor allem der Funk immer mehr an Bedeutung, was seinen vorläufigen Höhepunkt im hypernervösen „Squeeze Me Macaroni“ erreicht. Der Song klingt im Wesentlichen wie eine punkige Variante der frühen RED HOT CHILI PEPPERS, wobei Patton noch schneller rapt als Anthony Kiedis in seinen besten Tagen und sich dabei ein ums andere Mal zu überschlagen scheint. Teilweise hat man das Gefühl, dass er sich mit dem Rest der Instrumente ein Wettrennen liefert.

Sämtliche Tracks auf diese Weise zu beschreiben würde einerseits den Rahmen der Rezension sprengen, andererseits würde es den Reiz der Unberechenbarkeit, der das Debüt von MR. BUNGLE ausmacht, nehmen für diejenigen, die noch nicht damit in Kontakt gekommen sind. Daher nur mal eine kurze Auflistung der Dinge, die einen in den übrigen Songs erwarten könnten.

Es gibt natürlich eine Menge funkige Passagen von unterschiedlicher Intensität, dazu verschiedene Lärm-Intermezzi, Pattons zum Teil bizarre Vokalakrobatik, Videospielgepiepe frisch aus den Arkaden der Achtziger, Zirkusmusik, Lounge-artige Passagen zum Durchschnaufen, aufgeregte Ska-Passagen und eine ganze Reihe von Samples. In letzteren werden auch wie oben genannt beide Inkarnationen des Herrn Bungle aufgegriffen. Und vor allem die Schmuddelfilm-Variante kommt mit dem dazu passenden Soundtrack in Form von „The Girls Of Porn“ daher.

Ein Full-Length-Debüt nach Maß

Zusammenfassend ist MR. BUNGLE ein frühes Beispiel dessen, was man an verrücktem Zeug aus der Feder und dem Umfeld des Herrn Patton erwarten kann. Musikalisch auf irrsinnigem Niveau gezockt ist es teilweise echt ein Wunder, wie aus den kunterbunten Mixturen solche zum Teil wahnsinnig eingängigen Songs gewoben werden konnten. Vor allem das bereits erwähnte „Squeeze Me Macaroni“ geht richtig in Mark und Bein und schüttelt die müden Knochen wach. Und doch hängt immer der Wahnsinn über allem und vermittelt den Eindruck, dass hinter der nächsten Ecke alles lauern könnte.

An dieser Stelle sei es noch einmal wiederholt: Das Debüt bewahrt sich seine Konsistenz fast durchweg – bei 70 Minuten Laufzeit eine gewaltige Errungenschaft. Wer die Platte also noch nicht kennt und eine Bildungslücke in Sachen experimenteller Musik schließen möchte, sollte das unbedingt hiermit tun. In einem Rutsch genossen ist das Album natürlich etwas anstrengend, doch in kleine, manische Portionen unterteilt hat die Platte auch über 25 Jahre nach Erscheinen nichts von ihrem Charme und ihrer Energie eingebüßt.

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29.08.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Mr. Bungle - Mr. Bungle

  1. BlindeGardine sagt:

    Meine reaktion beim erstkontakt mit mr. bungle auf einem festival 98 war in etwa so: holy shit, was hab ich da grade gesehen. Mike patton schreit, rapt und singt sich im rosa hawaihemd die seele aus dem leib und jagd das ganze dabei noch durch diverse stimmverzerrer, trevor dunn zupft in kleid und blonder zopfperücke den bass und neben chaotischen gewaltausbrüchen warten bläser auf ihren einsatz. Ähnlich unterhaltsam ist auch das debüt und seit diesem auftritt hatt patton der alte weirdo bei mir einen stein im brett.

    9/10