MOTÖRHEAD sind und bleiben auch sechs Jahre nach dem Tode von Frontmann Lemmy Kilmister Kult. Die Relevanz der Band ist ungebrochen, ist sie doch meist wie die Kollegen von IRON MAIDEN eine Konsensband unter Metallern verschiedenster stilistischer Ausprägungen.
Nahezu jährlich – meist kurz vor Weihnachten – tourten die Briten durch Deutschland und versüßten der hart rockenden Gemeinde das Warten aufs Christkind mit dreckigem Hardrock/Rock’n’Roll. Live lieferten Lemmy, Phil und Mikkey eigentlich immer ab. Lemmys Vermächtnis wird auch im Jahr 2021 aufrechterhalten. Durch das Veröffentlichen diverser Deluxe-Neuauflagen der Band-Klassiker, oder – wie im vorliegenden Falle – unveröffentlichter Liveaufnahmen.
„Louder Than Noise…Live in Berlin“: Die Perfektion des Unperfekten
„Louder Than Noise…Live in Berlin“ führt zurück ins Jahr 2012, wo die Band am 5. Dezember im Velodrom gastierte. Supportet wurde die Band seinerzeit von ANTHRAX, welche MOTÖRHEAD hier beim Song „Overkill“ tatkräftig unterstützen. „Louder Than Noise…“ kommt im Digipack mit Posterbeilage daher und umfasst neben einer CD noch einen Mitschnitt des Berlin-Konzertes als DVD. Gerade diese DVD ist das Herzstück der Veröffentlichung, deren Aufmachung gerne etwas liebevoller hätte ausfallen dürfen.
Im direkten Vergleich zum CD/DVD-Set „Clean Your Clock“, welches im Jahre 2015 aufgenommen wurde, wirkt Lemmy hier noch wesentlich fitter und gesünder, wenngleich nicht zu übersehen ist, dass er schon mit gesundheitlichen und altersbedingten Problemen zu hadern hatte. Aber wie man es von ihm gewohnt war, gibt der Frontmann alles und liefert eine großartige Show ab. Was „Louder Than Noise…Live in Berlin“ so sehenswert macht, ist die Tatsache, dass die Show zwar mitgeschnitten wurde, aber anscheinend ursprünglich gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war.
Dies spiegelt sich darin wider, dass die Aufnahme herrlich unperfekt ist, was sie wiederum perfekt macht. Genau dadurch wirkt der Mitschnitt ungeheuer authentisch. Hier wurde nichts geschönt oder überspielt. Man ist als Zuschauer quasi ungefiltert live dabei und sieht die Band teilweise in Perspektiven, die man so eigentlich nicht für eine Live-DVD verwenden würde, die eher so wirken, wie tatsächlich mit den Augen eines Zuschauers wahrgenommen.
Das bedeutet aber nicht, dass man hier qualitativ minderwertiges oder gar Bootleg-ähnliches Material zu sehen bekommt! Es hat einen besonderen Charme, wenn mal kurzzeitig ein Crew-Mitglied durchs Bild rennt, oder die Kamera kurz wackelt. Soundtechnisch sieht es ebenso aus. Die Aufnahme klingt, wie ein Livemitschnitt klingen sollte: rau, mit Ecken und Kanten, aber gut – eben live!
We are MOTÖRHEAD and we play Rock ’n‘ Roll!
MOTÖRHEAD präsentieren sich hier so, wie man sie von unzähligen Konzerten kennt. Mikkey ist ein extrem großartiger Schlagzeuger und ein wahres Energiebündel, Lemmy der kultige Frontmann, der cool seine Ansagen ins Publikum knurrt und einfach nur ikonisch ist und Phil merkt man die Spielfreude zu jeder Sekunde an. Mehr als Licht, Sound und ein Banner benötigten die Jungs nicht, um die Konzerthalle vom ersten Moment an zum Feiern zu bringen. Die Songauswahl setzt sich zu großen Teilen aus Standards zusammen und birgt nur wenige Überraschungen. Das ist auch unnötig, denn wer zu Lemmy ging, wollte Klassiker wie „Killed By Death“, „Overkill“, „Stay Clean“ oder das unvermeidliche „Ace Of Spades“ serviert bekommen.
Man kann „Louder Than Noise…Live in Berlin“ sicherlich nicht attestieren, das beste MOTÖRHEAD Livealbum zu sein, aber gerade in Zeiten, in welchen man nicht zu Konzerten gehen kann, um mit einem Bier in der Hand mit Kumpels zu feiern und über Musik zu philosophieren, ist es schön, ein grundehrliches, solides Livealbum zu hören/sehen, welches nicht steril wie ein Livestream, sondern wahrhaftig wie eine echte Metal-Show daherkommt. Wer kann so etwas besser abliefern als MOTÖRHEAD? Zudem ist jede veröffentlichte Liveaufnahme der schmerzlich vermissten Dreier-Bande ein willkommenes Geschenk für alle Motörheadbanger. Lemmy – wir vermissen dich! Fans müssen zugreifen, aber auch alle anderen machen hier nichts falsch.
Text von Olaf Brinkmann
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