Motionless In White - Reincarnate

Review

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Über eine Million Facebook-Likes, Charterfolge und Features bei MTV – davon können viele Metalbands nur träumen. Ob solche Errungenschaften erstrebenswert sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Tatsache ist allerdings, dass die US-Amerikaner MOTIONLESS IN WHITE mit lediglich zwei Studioalben eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben haben.

Das hat vornehmlich einen Grund: Mit viel Make-up im Gesicht, jugendlich-rebellischem Charme und vor allem guten Songs im Gepäck besetzt der Fünfer aus Pennsylvania mittlerweile eine Nische, die MARILY MANSON oder die DEATHSTARS nicht mehr ausfüllen können, weil die einstigen Genre-Institutionen seit Längerem nur noch Mittelmaß abliefern. Und so sind die Jungspunde mittlerweile an ihren Helden vorbeigezogen – natürlich auch, weil sie fleißig in deren Fanlager fischen.

Stilistisch kredenzen MOTIONLESS IN WHITE eine Mixtur aus Metalcore, Alternative Metal und Industrial – das Label „Gothic“, welches sich die Band selbst verliehen hat, bedient sie dabei eher durch ihre Erscheinung, als durch ihre Musik. Konkreter: Die Stücke der US-Amerikaner bewegen sich im Schnittfeld oben genannter Industrial-Helden und zeitgemäß ausgerichteter Metal(core)-Kapellen wie neueren BRING ME THE HORIZON, BLEEDING THROUGH, EYES SET TO KILL und artverwandten Formationen.

Plastik-Scheiße? Aber ja!

Weichgespülter Chart-Mist! Kinder-Metal! Plastik-Scheiße! Klar, mit ihrer Musik werden die US-Amerikaner bei vielen Metalheads auf wenig Gegenliebe stoßen. Und wer Disko-Beats und Clean-Gesang nicht ertragen kann oder sogar prinzipiell verteufelt, sollte den Namen MOTIONLESS IN WHITE lieber ganz schnell wieder vergessen. Allen anderen sei gesagt: Ja, das hier ist zweifelsfrei massentauglich konzipierter Metal. Gleichzeitig aber auch griffige, moderne Kost, die richtig gut gemacht ist.

Fakt ist nämlich, dass sich hinter all dem Theater eine mehr als solide Band verbirgt. Was Frontmann Chris „Motionless“ Cerulli beispielsweise auf dem nunmehr dritten Output „Reincarnate“ gesanglich leistet, ist schlichtweg beeindruckend: Growlen, Schreien, Singen – der Mann hat zweifelsfrei ein enormes Repertoire vorzuweisen und kann noch dazu ausgesprochen gut mit seiner Stimme umgehen.

Zu den Highlights der Platte zählen der Opener „Death March“ (Industrial-Stampfer mit MANSON-Einschlag) sowie das entfernt an SOILWORK erinnernde „Break The Cycle“. Mit „Puppets 3 (The Grand Finale)“ haben MOTIONLESS IN WHITE zudem einem prominenten Gast einen Song auf den Leib geschneidert: Kein Geringerer als Dani Filth malträtiert hier seine maroden Stimmbänder. Die Kreuzung aus Black Metal, Modern-Metal-Bombast früher SCAR SYMMETRY sowie fiesen Metalcore-Breakdowns funktioniert dabei überraschend gut. Auch die Kooperation mit Maria Brink (IN THIS MOMENT) in der Halbballade „Contemptress“ überzeugt. Lobenswert ist außerdem: Bei allem Geschmachte und Pop-Überschwang lassen MOTIONLESS IN WHITE auf „Reincarnate“ auch immer mal wieder den Hammer kreisen – und servieren, wie unter anderem im Titeltrack, das eine oder andere Killer-Riff.

Ein wesentliches Problem hat die Scheibe allerdings: Sie ist viel, viel zu lang. Wäre nach dem neunten Song „Dark Passenger“ Schluss gewesen, hätte ich ohne Bedenken acht Punkte oder sogar mehr gezückt. So aber servieren MOTIONLESS IN WHITE mit „Wasp“ zunächst eine völlig lahme Trip-Hop-Gothic-Irgendwas-Nummer sowie im Anschluss zwei blutleere Industrial-Klopper. Im gesamten letzten Drittel rechtfertigt lediglich das Melo-Death-lastige „Carry The Torch“ qualitativ seine Existenz. Denn auch den auf der digitalen Version des Albums enthaltenen Bonustrack, eine Akustik-Version des Songs „Sinematic“ vom Vorgänger-Album „Infamous“, hätten die US-Amerikaner mal lieber in der Schublade gelassen.

Fazit: MOTIONLESS IN WHITE sind verdammt gut in dem, was sie tun. Sie wissen offensichtlich nur noch nicht, wie sie es am besten verkaufen sollen. Irgendein windiger Manager wird ihnen das aber auch noch erklären – da bin ich mir sicher.

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16.01.2015

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