Mors Cordis - Injection

Review

Der „Injection“ aufgedrückte Stempel „Industrial Death Metal“ führt potentielle Hörer mit Gedanken an Bands wie uralte FEAR FACTORY zwar prinzipiell auf die richtige Fährte, steckt diese jedoch viel zu eng ab. Die Musik auf dem zweiten Album der seit über einer Dekade aktiven Berliner MORS CORDIS lässt sich vielleicht treffender als moderner, sich vielfältigen Einflüssen bedienender Groove Metal beschreiben.

Die rhythmusbetonte Mischung aus hartem Metal, dem man allerlei Begriffe wie Nu, Neo-Thrash, Core oder eben auch Death voran- beziehungsweise hintanstellen kann, und Industrial-Einflüssen mutet an wie ein Gen-Experiment aus DISTURBED, FEAR FACTORY, den ILLDISPOSED des 21. Jahrhunderts und Vertretern der Neuen Deutschen Härte – Letzteres besonders offensichtlich, wenn sich die Band deutscher Texte bedient. Der mitunter hörbar effektbeladene Gesang wechselt zwischen recht gemäßigtem Grunzen, selteneren Shouts sowie oft eingesetztem und in der Regel auch gut umgesetztem Klargesang. Ein wahrlich buntes Potpourri also.

Einer Handvoll ansprechender Kompositionen wie dem flotten Titelstück, „Emptiness“ mit der Stimmung zuträglichen Synthesizer-Klängen, schweren, zum Mitwippen einladenden Groove-Passagen und eingängigem Refrain, dem aggressiven und direkten „I Am Out“ oder dem für MORS CORDIS-Verhältnisse ziemlich mächtigen und puristischen Rausschmeißer „Krone der Schöpfung“ stehen viele Stücke gegenüber, die mit 08/15-Riffing und wenig galant aufgesetzten Industrial-Elementen weniger zünden beziehungsweise schon einen erhöhten Nerv-Faktor aufweisen. Hier besonders hervorzuheben sind etwa das simple „Big Brother“ mit einfallslosem Refrain, das offenbar sexuellen Missbrauch thematisierende „Haut zu Stein“ mit zum Fremdschämen einladendem Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Text („Sie will, dass niemand sie berührt, sie will, dass sie nie mehr verspührt, sie wünscht sich allein zu sein, sie wünscht sich Haut zu Stein“) oder „22nd Century“, wo der zuvor schon hier und da kurz aufkeimende, nun deutlich durchbrechende Sprechgesang die Toleranz des Hörers doch arg fordert.

MORS CORDIS machen es einem mit „Injection“ wahrlich nicht leicht: Schon auf dem Papier liest sich das Stilgepansche des keinerlei Scheuklappen besitzenden Hauptstadt-Quintetts ziemlich abstoßend und so kommt es dann auch, dass die überwiegend sehr ähnlichen Riffs, der ewig gleiche Rhythmus, überpräsente elektronische Spielereien, mitunter klischeetriefende Texte und die ein oder andere die Gutmütigkeit des Rezensenten auf die Probe stellende Zutat (Rap-Einlagen) für einen verzogenen Gesichtsausdruck sorgen. Doch in dem faden Allerlei haben sich einige knackige Brocken gebildet, die es tatsächlich schaffen, einem eine spürbare Dosis Gefallen zu injizieren – Grießbrei mit ein paar grell schimmernden Smarties also. Die musikalisch besonders Aufgeschlossenen werden derer hier vielleicht noch ein paar mehr entdecken können.

01.09.2011
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