Morbid Angel - Kingdoms Disdained

Review

MORBID ANGEL sparen sich Firlefanz wie Intros und steigen auf Album Nummer Eins nach dem insgesamt eher missglückten Experiment, David Vincent von der Leine zu lassen direkt mit „Piles Of Little Arms“ als Statement ein. Wieder dabei ist Sänger und Bassist Steve Tucker, der womöglich nicht den gleichen stimmlichen Ausdruck besitzt wie sein rivalisierender Counterpart, der aber den Alben mit seiner Beteiligung, allen voran dem legendären „Gateways To Annihilation“ von 2000, seinen ureigenen finsteren Stempel aufdrückte. Genau dieses Stilelement macht auch „Kingdoms Disdained“ zu sperrigem, aber erschließenswertem Material: MORBID ANGEL in ihrer Hochform spielen keinen normalen, gängigen Death Metal, sondern sie werfen dem Hörer einen apokalyptischen, verneinenden Brocken hin: Hier, niederes Volk, nehmt und kämpft damit.

Mit Räudigkeit und Technik (vor allem das wahnwitzige Spiel von Neu-Drummer Scott Fuller verdient besondere Erwähnung) kreieren die US-Death-Metal-Vorreiter ein Werk, dessen Wesentlichkeit sich weniger über die Songs erschließen lässt, sondern vielmehr über die zunächst beinahe monoton anmutende Atmosphäre. „Kingdoms Disdained“ öffnet die Tore zur Unterwelt und geht dabei nicht den Weg über stilfremde Experimente, sondern in erster Linie über Trey Azagthoths vertraute Gitarrenläufe und die aggressive direkte Intonierung Tuckers. Dabei wird dem Hörer etwas zugemutet: Drei bis vier Durchläufe sind nötig, um sich durch die gewundenen, beinahe furchteinflößenden Bergmassive hindurchzukämpfen und am Ende festzustellen, dass auch eine kompositorische Komponente in den einzelnen Songs greifbar ist. Das Album besitzt letztlich das große Plus, nach dem man in der heutigen Metal- und Musikwelt so häufig sucht, und das man so selten findet: Eine Individualität, vorgetragen von einer Band, die im Grunde jeglicher Vergleiche entbehrt. Ohne die vorhandene Klasse und Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten wäre das nichts wert. Da diese aber zweifellos vorhanden sind, überzeugt „Kingdoms Disdained“ als eigenständiges und aussagekräftiges Werk, dass sich Kritik und Zurechtweisungen beinahe entzieht.

Auch die nüchterne, auf Produktion und Darbietung beschränkte Betrachtung führt zum Ergebnis, dass MORBID ANGEL sich wieder auf dem richtigen Pfad befinden: Erik Rutan, der Mann hinter der Scheibe, kennt die Band dank eigener Beteiligung auf einigen Platten aus dem Effeff, und soundtechnisch bleibt das Album dem musikalischen Grundgerüst treu: Es grummelt und wabert mächtig tief, und es macht dabei nicht mal den Versuch, Extremrekorde zu knacken. MORBID ANGELS künstlerische Vision ist der entscheidende Faktor bei ihrer Herangehensweise, und vielleicht unterscheidet das die großen, klassischen Death-Metal-Bands von den immer nach neuen Superlativen hetzenden neuen. Man nehme es sich zum Vorbild.

10.12.2017
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