Moon (Aus) - Caduceus Chalice

Review

Vermutlich ist es nicht vermessen zu behaupten, dass ich in 15 Jahren des Schreibens über Black Metal schon eine Menge gehört habe. Sehr fantastische Platten und auch ganz viel Mist, sehr süßlichen Schrott und ganz ganz finstere Scheiben, bei deren Hörgenuss man die Kälte förmlich die Beine herauf kriechen spürt. Aber was das australische Soloprojekt MOON sich hier erlaubt, ist echt unerhört, und ich muss zugeben, dass ich damit ganz schwer umgehen kann.

 

Nichts an „Caduceus Chalice“ ist objektiv gut gemacht. Der Sound ist gelinde gesagt mies, die Gitarre ist schräg und schrammelnd, der Drumcomputer primitiv programmiert und schamvoll in den Hintergrund gemischt, der Gesang bis zur Unkenntlichkeit verhallt, die Songs im Grunde mehr als simpel. Die Kombination aus allen Elementen sorgt aber für eine derart verschlingend düstere, andersweltliche Atmosphäre, dass ich es unter dem Kopfhörer direkt mit der Angst zu tun bekomme und mich in Gedanken auf einen verfallenen Friedhof versetzt fühle. Ich weiß, das klingt klischeehaft und albern, aber wenn eine Band das wirklich schafft, ist das eine einzigartige Leistung.

 

Woran es nun genau liegt, dass MOON das Vorhaben, an dem XASTHUR, DROWNING THE LIGHT oder STRIBORG kläglich und in aller Peinlichkeit gescheitert sind, so beeindruckend umgesetzt haben, ist schwer zu erklären. Die sonst nicht beachtungswürdigen Details fügen sich hier zu etwas, das viel größer ist als seine Bestandteile. Das fängt bei Titel und Cover an, setzt sich über die Bandfotos und die Songtitel fort und hört bei den Instrumenten und der Produktion noch nicht auf. Die spukenden Keyboardflächen, die gemächlichen, nicht enden wollenden Riffs, die kathedralenhaften Hallräume, die jeden Ton in die Unendlichkeit ausweiten und grotesk verzerren, das ganze Klangkonzept, in dem die Songs wie in einem Spiegellabyrinth, das strudelnd in ein schwarzes Loch fällt, widerhallen… das ist verdammt einfach und wäre, wenn es nur minimal schlechter komponiert und gespielt wäre, eine Zielscheibe für Spott und Hohn. Ist es aber nicht, es ist bestechend zielsicher. Namen wie BURZUM, LUNAR AURORA, DARKSPACE und NOCTERNITY als Vergleich aufzufahren, kommt mir selbst vermessen vor. Wer das für übertrieben hält, muss sich dieser fünfzigminütigen Reise, dieser Trance oder auch nur dem zwanzigminütigen „Chalice“ einmal aussetzen und wird mir fortan Glauben schenken.

 

Weil ich mir dessen bewusst bin, dass bei „Caduceus Chalice“ Objektivität und Subjektivität weit auseinander liegen, will ich versuchen, beide Eindrücke in einer schnöden Notenzahl zu mitteln. Das resultiert in sieben Punkten, die viel zu viel sind für eine Platte, die wie ein Cassettendemo klingt und das stilecht auch war, und viel zu wenig für den Eindruck, den sie bei mir hinterlassen hat.

 

12.06.2011
Exit mobile version