Mono - Rays Of Darkness & The Last Dawn

Review

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Die Japaner MONO stehen wie keine andere Band im Post-Rock-Segment für ausufernde Epik und leidenschaftlichen Pathos. Einige Kritiker unterstellen der Truppe sogar, dass sie die Grenzen zum Kitsch des Öfteren strapaziert. Klar – unbestritten setzte die Formation um Kreativkopf Takaakira „Taka“ Goto in der Vergangenheit gern und zur Genüge auf orchestralen Bombast. Wer sich jedoch etwas intensiver mit der Band auseinandersetzt, wird schnell realisieren, dass dabei vordergründig die künstlerische Eigenwilligkeit der Japaner, als kommerzielle Absichten die Rolle spielten.

Für ihre beiden neuen Werke „The Last Dawn“ and „Rays of Darkness“ haben sich MONO nun allerdings einen Kurswechsel verordnet: Bis auf ein hier und da sparsam agierendes Streicherquartett ist das Orchester aus dem Sound des Vierers verschwunden, die klassische Rock-Besetzung rückt folglich wieder mehr in den Vordergrund, der Sound wird aufgeräumter, intimer und auch wieder etwas direkter. Weiterhin gibt es von Tetsu Fukugawa (ENVY) im Song „The Hands That Hold The Truth“ zum überhaupt ersten Mal Gesang auf einer MONO-Platte zu hören.

Thematisch beschäftigen sich die beiden zeitgleich erscheinenden Alben mit dem emotionalen Innenleben des Hauptsongschreibers Goto – „The Last Dawn“ verkörpert dabei das Helle und die Hoffnung, „Rays Of Darkness“ hingegen das Chaos, die Angst und depressive Finsternis. Und auch wenn die Band von zwei eigenständigen Werken spricht, besteht aufgrund der Entstehungsgeschichte, der inhaltlichen Konzepte und nicht zuletzt aufgrund der Beschaffenheit der Songs natürlich eine Verbindung zwischen beiden Scheiben. Legt man beide Platten richtig zusammen, ergibt das famose Artwork von Pat Perry zudem ein ganzheitliches Bild. Aus diesen Gründen werden im Folgenden auch beide Alben innerhalb eines Textes besprochen.

Beklemmend schön – „Rays Of Darkness“

Dass es in der Folge zunächst um das düstere der beiden Alben geht, ist reiner Zufall. Es war schlicht und ergreifend die Platte, die als erste aus dem Briefumschlag auf die Schreibtischplatte rutschte. Die vier Kompositionen erreichen zusammen eine Spielzeit von etwas mehr als 35 Minuten, Herzstück der Scheibe ist zweifelsfrei das 13-minütige „Recoil, Ignite“, das gleichzeitig als Opener fungiert. Der Song beginnt in typischer Post-Rock-Manier, zu einer wunderbar weichen, minimalistischen Gitarrenmelodie gesellen sich alsbald immer mehr Schichten, unter anderem ein simples Vier-Akkord-Fundament der zweiten Gitarre, ein warmer Bass und ein stetig energischer agierendes Schlagzeug. Das Ganze gipfelt nach einigen Minuten im mitreißenden Hauptriff des Songs: Eine klagende, ausladende Melodie drängt sich in den Vordergrund und wird von der zweiten Gitarre unterstützt, wobei diese bei genauem Hinhören einen fast schon dissonanten Gegenpart bildet. Die dabei entstehende tonale Reibung sorgt in erster Linie für viel Organik im Sound und düstere Atmosphäre. Wagt man auf der Interpretationsebene einen Deutungsversuch, so könnten damit die innerliche Zerissenheit und die emotionalen Wogen gemeint sein, die im Gefühlschaos des Herrn Goto gegeneinander ankämpf(t)en. Man kann sich allerdings auch einfach nur der Musik hingeben – denn die ist auch ohne jede Theorie absolut fesselnd.

Im Anschluss folgt mit „Surrender“ ein deutlich zurückhaltenderer Track, der sich eher behäbig voranschleppt und bis auf stetig anschwellende Trompeten vor allem etwas Zeit dafür bietet, sich nach dem intensiven Auftakt wieder emotional zu erden. Im Anschluss folgt der bereits angesprochene Gesangsauftritt von Tetsu Fukugawa in „The Hands That Hold The Truth“: Zunächst baut sich der Song langsam auf, zweistimmige Gitarren leiten in das Hauptthema ein, im weiteren Verlauf wird es dann dynamischer, bevor sich nach einer Art Zäsur Fukugawas barsches Geschrei zu den fast schon ruppigen, intensiven Gitarrenstürmen der Band gesellt. Interessant ist dabei, dass die Vocals gefühlt eine Spur zu leise abgemischt sind – folglich klingen MONO mit Gesang gar nicht wie „MONO und Gesang“, sondern in erster Linie, als würde Fukugawa im verzweifelten Kampf gegen die Riffwindmühlen versuchen, aus dem düsteren Meer aus Verzweiflung aufzutauchen – es dabei aber nicht bis zur Oberfläche, der Erlösung gewissermaßen, schaffen. Bemerkenswerter Song.

Das abschließende „The Last Rays“ hat dann eher Drone-Charakter, finster lärmende Gitarrenwände, verstörende Sounds im Hintergrund und teils ohrenbetäubendes Rauschen verkörpern das Ende der Scheibe. Man mag sich nicht vorstellen, was den Komponisten zu diesem Stück Musik inspiriert hat. So viel ist klar: Es muss etwas sehr, sehr Verstörendes gewesen sein.

Ein Hoffnungstraum – „The Last Dawn“

Der Eröffnungstrack „Lands Between Tides“ weist zunächst überraschende Parallelen mit dem Opener des oben besprochenen Albums auf: Ähnliches Strickmuster, ähnliche Stimmung wie in „Recoil, Ignite“. Allerdings besteht das Stück quasi aus zwei einzelnen Tracks: Der zweite Song „Glory“ wurde mittels nahtlosem Übergang einfach angehängt. In dem kurzen, getragenen Stück kommen auch erstmals die Streicher ins Spiel und sorgen für eine wohlige, warme Stimmung. „Kanata“ beginnt anschließend mit wunderschönem Klavierauftakt, hinzu kommt nach einigen Augenblicken eine verhallte Gitarre – und was MONO im Anschluss veranstalten, ist vielleicht nicht die Neudefinition des Genres, aber einfach wunderbar ergreifender Post-Rock, den man in dieser Form nicht besser spielen kann. Atmosphäre pur, wunderbare Organik (alle Songs wurden komplett live aufgenommen) und jenes durchweg präsente, schwelgerische Flair, für welches Liebhaber diese Musikrichtung so verehren. Großartig.

Selbiges gilt übrigens für die folgende halbe Stunde. Denn im Verlauf dieser servieren MONO mit dem packenden „Cyclone“, dem hoffnungsfreudigen „Elysian Castles“, dem mit großartigen Finale ausgestatteten „Where We Begin“ und schließlich dem abschließenden Titeltrack absolute Post-Rock-Perlen aus einem Guss. Dabei kommt speziell die traditionell sehr dichte Gitarrenarbeit der Japaner besonders gut zur Entfaltung – der Verzicht auf den eingangs erwähnten Orchester-Bombast stellt sich in diesem Fall als absoluter Glücksgriff heraus.

Mit ihren Studioalben sieben und acht legen MONO zwei bemerkenswerte Musikwerke vor. Während „The Last Dawn“ vor allem eine hochklassige Liebeserklärung an den Post-Rock ist, mag „Rays of Darkness“ über einige Strecken zwar nicht unbedingt hörerfreundlich sein, stellt dafür aber im Kontext des Partner-Albums eine eindringliche Vertonung der menschlichen Abgründe dar. Zugegeben: Als alleinstehendes Werk würde die Scheibe weniger gut funktionieren.

So aber muss man sagen: MONO bescheren dem geneigten Hörer erneut unglaublich tiefgründigen Stoff für verträumte Abende, einsame Reisen und nächtliche Wanderungen – und untermauern nebenbei ihren Ausnahmestatus als verkopfte Klangkünstler ein weiteres Mal in eindrucksvoller Weise.

01.11.2014

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