Møl - Diorama

Review

MØL sind Meister der Täuschung. Befasst man sich das erste Mal mit ihnen, rechnet man wohl ganz und gar nicht mit dem, was einen auf dem zweiten Longplayer „Diorama“ erwartet. Nein, die Schnorresträger in Freizeithemden aus dem dänischen Aarhus lassen verträumten, vielleicht leicht progressiven Post-Rock in Richtung ihrer Landsleute von VOLA erwarten. Der Beginn des Openers „Fraktur“ bestätigt den Hörer auch zunächst in seiner Vermutung – bevor einem das garstige Gebrüll von Fronter Kim Song Sternkopf den Boden unter den Füßen wegreißt und passend dazu auch das plötzlich einsetzende Black-Metal-Riffing noch weiter in die schwarze Tiefe zieht.

MØL – Wildern in allen Genres

Natürlich, neu ist all das nicht, nicht wenige werden vermutlich abwinken und etwas von „nicht noch einer Hipster-Pseudo-Black-Metal-Band“ schwadronieren. Vielleicht sind MØL das ja sogar – aber wen kratzt das, wenn die Musik, um schon einmal ein wenig zu spoilern, über weite Strecken überzeugen kann? Die Band selber offenbar nicht, denn die Dänen spielen einfach, was ihnen passt, wildern dabei in so ziemlich allen Metal-Genres, setzen aber trotzdem auf erstaunlich knackiges Songwriting, statt sich in unendlichem Gejamme in überlangen Nummern zu ergehen.

Ein gutes Beispiel dafür ist eine der Vorab-Singles: „Serf“ punktet mit modernen Black-Metal-Screams, setzt aber andererseits auf Riffs zwischen MeloDeath und Thrash und clean gespielte Post-Metal-Leads und baut diese zu einem in sich schlüssigen Song zusammen. Dieses Rezept wird die meiste Zeit über aufrecht erhalten, allerdings immer wieder durch gute, teils genrefremde Einschübe ergänzt. Signifikante Ausbrüche finden sich vor allem in den zwei längeren Nummern am Ende des Albums.

Die garstigen High-Speed-Passagen in „Tvesind“ sind purer Schwarzmetall, wechseln sich aber gekonnt mit melodischen, atmosphärischen Parts ab und ergeben letztlich ein gelungenes Gesamtbild. Im Titelsong überschreiten MØL die Kitschgrenze allerdings deutlich, vor allem mit dem dieses Mal weniger zurückhaltend eingesetzten Klargesang im Duett, dem einfach nicht genügend Kontrapunkte gegenüber stehen. Auch insgesamt hält die Nummer einfach zu wenig zwingendes bereit und bildet damit einen ziemlich lauen Abschluss eines ansonsten durchaus gutklassigen Albums.

Eingängig, aber nicht leidenschaftlich – „Diorama“

MØL setzen auf „Diorama“ voll auf Eingängigkeit, alle Songs sind gespickt mit melodischen Einschüben, die selbst genrefremde Hörer direkt in ihren Bann ziehen können. Klar, Sellout mag hier der ein oder andere schreien und dann noch beim Genre-Riesen Nuclear Blast unter Vertrag. Aber kalkulierter Erfolg hin oder her – MØL machen ihre Sache verdammt gut und sind mindestens für Fans von allen Stilrichtungen mit vorangestelltem „Post-“ interessant.

Viel weiter gehen die Dänen allerdings nicht. „Diorama“ klingt – egal ob gewollt oder nicht – relativ klinisch und schafft es trotz toller Melodien und einiger Abwechslung letztlich doch nicht, so zu packen wie beispielsweise LANTLÔS oder KARG, die einfach viel mehr Emotionen mit ihrer Musik transportieren können. „Diorama“ ist ein leicht überdurchschnittliches Genre-Album, das technisch kaum zu beanstanden ist, dem aber am Ende ein wenig die Leidenschaft abgeht und das leider bereits nach einigen Hördurchläufen die ersten Abnutzungserscheinungen zeigt.

01.11.2021

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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