Misshaped Fortune - The World's End

Review

In Metropolen wie Berlin ist man vor Trends natürlich am allerwenigsten sicher. Das ist auch der Gesamteindruck, den man vom selbstproduzierten Erstwerk der jungen Screamo-Band MISSHAPED FORTUNE gewinnt. „The World’s End“ passt, und das kann man den Jungs noch nicht mal vorwerfen, von vorne bis hinten und von oben bis unten in die Klischeeschublade. Wie abgemessen. Das beginnt beim Cover, auf dem sich in bester Emo-Manier ein Girlie mit passender Frisur traurig der schicksalhaften Welt da draußen hinzugeben scheint, setzt sich schon bei einem ersten Blick auf die (im Booklet abgedruckten) Texte fort (Herzschmerz, Beziehungskrise, Liebeskummer Abrechnung mit der untreuen Alten)- und erwartungsgemäß auch in der Musik. Die Zielgruppe hat man also schonmal im Visier und eindeutig eingegrenzt. So weit so gut, das alleine rechtfertigt noch keine Bewertung, dürfte sich aber beim Erschließen neuer Fanschichten doch als hinderlich erweisen.

Die Musik ist, wie oben schon kurz angedeutet, Screamo, das heißt grob umschrieben verzweifelter Metalcore mit Emo-Texten. Bei Sänger Matthias bin ich mir eigentlich überhaupt nicht sicher, die meiste Zeit gibt er in seinen Schrei-Parts ein ganz gutes Bild ab und klingt weitestgehend authentisch, auch wenn man immer irgednwie das Gefühl hat, er würde darauf achten, auch bitte genau in das vorgerfertigte Bild zu passen. An einigen Stellen klingt er dann aber doch wieder irgendwie gequält und es fehlt ihm an Ausdruck und Durchschlagskraft. Die Clean-Vocals konnte ich mir jedoch auch nach einigen Durchläufen nicht schönhören. Man kann es schließlich auch übertreiben mit der Emotion, und bei so viel aufgezwungenem Emo-Vibe wirkt jeder Melodieansatz wie leidensvollens Genöle. Da muss unbedingt eine Verbesserung her, in der Hinsischt sollten die Jungs noch viel weniger dick auftragen.

Ganz cool ist das recht eingängige und schmissige „The Time Has Come“, hier scheinen MISSHAPED FORTUNE ihre Stärken gebündelt zu haben. Bei „The Silence Underneath“ überrascht Matthias sogar mit Death-Growls, die auch einen erstaunlich guten Eindruck machen – vielleicht liegt hier Potenzial für zukünftige Aufnahmen? Die Instrumentalabteilung tut natürlich das, was man von ihr erwarten kann – Gitarrenleads und Breakdowns bis zum Abwinken. Das kann man für kalkuliert und vorhersehbar halten, gehört aber nunmal zu diesem Musikstil. Wieder mal zu bemäkeln ist der Drumsound: Die Bassdrum wirkt teilweise wie ein Störfaktor, zu weit im Vordergrund, und teilweise etwas arg mechanisch. Ein richtiger Hit fehlt auch noch, dafür gibt es noch zu viele Reibungspunkte bei den Songs mit Cleanvocals.

Dass man es sich dann auch noch bei den Songtiteln nicht nehmen lässt, die Erwartungen zu erfüllen und etwa mit „A Story About A Psycho Called John Riding His Fucking Horse On The Way To Kill Me“ einen ellenlangen Titel ohne näheren Sinn (aber mit dem bösen F-Wort) zu verwenden, lässt das Schmerzgrenz-O-Meter dann schon etwas verdächtig in den roten Bereich ausschlagen.

MISSHAPED FORTUNE würde es gut tun, ein wenig von diesem Klischeedenken Abstand zu nehmen, das ist insbesondere dann wichtig, wenn man innerhalb der Metal-Szene ein paar Punkte machen will, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, lediglich Trendreiterei zu betreiben. So sehr das Ganze den Jungs auch Spaß machen wird, ernstzunehmenden Einfluss werden sie mit „The World’s End“ noch nicht nehmen können.

14.01.2010
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