Manche Dinge muss man nicht erlebt haben um von ihrer Schädlichkeit überzeugt zu sein. Kein Mensch käme z.B. darauf, an einem sonnigen Tag mit dem Fernglas Explosionen auf der Sonnenoberfläche zu beobachten. Weil das schlecht für die Augen wäre.
Andere Dinge, z.B. das Gefühl, mit dem Finger eine heiße Herdplatte zu berühren, erlebt nahezu jeder irgendwann. Unangenehm, nicht weiter schlimm, mit hohem Lerneffekt.
”Melodic Death Metal“ hätte ich spontan der ersten Kategorie zugeordnet. Erstens, weil ich kein großer Freund von Melodien bin- jedenfalls nicht im Metal. Zweitens, weil ich nicht sonderlich auf Deathmetal stehe. Beides zusammen? Quasi die musikalische Umsetzung der Faust’schen ”Spottgeburt von Dreck und Feuer“?? Bitte nicht!
Aber dann kommt’s: die durchaus ohrwurmtauglichen, nie zu ausschweifenden Melodien entschärfen allzu wüstes Blastgeknatter; das Geknatter seinerseits garantiert, dass MISERY SPEAKS nie zu weich und melodisch werden. Super! Veredelt wird alles mit zakkig-wylden Lassoschwingergitarren und einem Gesang, der nach frühmorgenlichem Gurgeln mit zähem Eiter klingt. Ich bin begeistert!
Und so schaffen es die fünf Münsteraner, auf ihrem zweiten Album eine sagenhaft ausbalancierte Mischung aus Melodie und Gewalt, aus Atmosphäre und Brutalität zu präsentieren. Unglaublich wuchtig und doch glasklar sind Mix und Mastering von Dan Swanö (u.a. EDGE OF SANITY), der zudem bei drei Titeln als Gastmusiker zu hören ist, ausgefallen.
Wer das Quintett auf der ”Darkness Over X-mas Tour“ (mit CALIBAN, HEAVEN SHALL BURN, SONIC SYNDICATE und THE SORROW) erlebt hat, konnte sich bereits von den Livequalitäten der Jungs überzeugen. Allen anderen empfehle ich dringend, dies bei nächstmöglicher Gelegenheit nachzuholen. Wenn MISERY SPEAKS live nur halb so viel Druck erzeugen wie auf ”Catalogue Of Carnage“, blasen sie trotzdem 90% ihrer Kollegen aus den Latschen. In Sachen melodischem Deathmetal sind die Westfalen spätestens jetzt eine absolute Institution in diesem Lande!
Obwohl ich diese Platte allen nur als Gesamtwerk ans Herz legen möchte, kann ich den Titeltrack ”Catalogue Of Carnage“, ”Engraved In Stone“ (mit Gastgurgeln von Dan Swanö) sowie den Rausschmeißer ”Fall Of Envy“ besonders hervorheben- wegen des besagten Ohrwurmcharakters durch die tolle Kombination von angenehmen Melodien und kompromisslosem Geballer.
Als Gegner von Melodie und Tod muss ich zugeben, dass beides in gleichen Teilen vermengt eine supergeile Mischung ergibt. Ob Fans von reinem Melodic- bzw. Deathmetal das genauso sehen, ist abzuwarten. Ich kann allerdings nur empfehlen, hier unbedingt mal reinzulauschen. Trotz des frühen Erscheinungsdatums ist “Catalogue Of Carnage“ eines meiner persönlichen Albumhighlights in diesem Jahr. Respekt, meine Herren!
Mehr Schubladendenken bitte!
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