Die niederländische Black-Metal-Kapelle MISANTHROPIA widmet sich auf ihrem vierten Longplayer “Convoy Of Sickness” — wie es Cover und Titel bereits erahnen lassen — Geschichten aus der niederländischen und belgischen Unterwelt. Vertont werden dabei Ereignisse wie die Entführung von Freddy Heineken (”The Eagle And The Hare”), die Ermordung von Willem Endstra (”Silent War”) oder die Geschichte um die Brabant Killers (”Pathological Desire To Kill”). Der Rezensent hat diese Hintergründe auch nur gefunden, indem er eine Weile gegoogelt hat, nebenbei bemerkt. Thematisch stechen MISANTHROPIA damit definitiv aus der Masse an Black-Metal-Bands hervor; mir ist zumindest keine andere (Black-Metal-)Band bekannt, die sich so ausführlich mit der Geschichte des organisierten Verbrechens befasst (auch das Vorgängeralbum “Omerta” widmet sich Geschichten aus dem kriminellen Untergrund).
G’schichten aus dem Mafia-Garten
Ein Black-Metal-Album braucht aber nicht nur ein textliches Konzept, sondern auch Musik. MISANTHROPIAs Black Metal lässt sich dabei konzeptuell wie musikalisch mit ihren Landsleuten CARACH ANGREN vergleichen, und auch ältere DIMMU BORGIR könnte man in der Ahnenreihe von „Convoy Of Sickness“ finden. Melodisch-symphonischer Black Metal also, bei dem die Songs von Keyboard und Gitarre getragen werden, sowohl was das Fundament angeht als auch in Bezug auf die melodischen Leads.
Darüber krächzt Sänger Bram sich die Seele aus dem Leib, wobei es mehr um den erzeugten Eindruck geht als darum, die Geschichten zu erzählen. Bemerkenswert vor allem deswegen, weil die Lyrics oft sehr faktenlastig und wenig „poetisch verdichtet“ daherkommen (von Ausnahmen wie „The Unburied“ mal abgesehen), weswegen ein noch stärkerer Fokus auf das Transportieren dieser Texte durchaus ins Konzept gepasst hätte.
„Convoy Of Sickness“ ist nicht das perfekte Verbrechen…
Die Kompositionen sind vergleichsweise ausladend, selbst wenn die Songs alle unter der Zehn-Minuten-Marke liegen. Die Verwendung (und versuchte Verbindung) von symphonischen Keyboard-Parts und melodiösen Gitarren-Leads sorgt leider oft dafür, dass die Songs etwas überfrachtet wirken und kein Element wirklich Luft zum Atmen bekommt. Dadurch geht häufig die Spannung verloren und die Musik rutscht dann ultimativ etwas in die Beliebigkeit ab, was schade ist.
Letzten Endes wollen MISANTHROPIA vermutlich “Kino für die Ohren” erschaffen, mit Liedern, die sowohl eine gewisse Atmosphäre transportieren und dabei trotzdem eine Geschichte erzählen — nur gelingt die Verbindung dieser beiden Elemente leider nicht immer, und das Album scheitert dann an seinem eigenen Anspruch.
…aber MISANTHROPIA sind auch nicht kriminell schlecht
Man kann mit “Convoy Of Sickness” aber durchaus Spaß haben, vor allem wenn man Fan von symphonisch-melodischem Black Metal ist. Die größte Unterhaltung des Albums besteht aber sicherlich darin, die Lieder im Hintergrund laufen zu haben, während man mit dem Lyricsheet in der Hand versucht, die “Geschichten hinter den Geschichten” zu finden und einzutauchen in den holländisch-belgischen Untergrund, eine Welt aus Gewalt, Drogen, Sex und Verrat. MISANTHROPIA geben dabei exzellente Tourguides ab.
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