Mindpatrol - Ikaria

Review

Soundcheck Juni 2021# 23

Die Luxemburger MINDPATROL sind nicht zu verwechseln mit den Schweizern MIND PATROL (das Leerzeichen macht den Unterschied). Im Gegensatz zu Letztgenannten spielen Erstgenannte auf dem vorliegenden „Ikaria“ im weiteren Sinne Prog Metal, der seine Wurzeln eindeutig in den modernen, härteren Spielweisen hat (man denke z. B. an SPIRES). Eine der Grundzutaten ist eine stoische Heaviness, die im Wechselspiel mit sanfteren, clean gespielten Passagen auftritt. Das lässt gelegentlich einen dezenten Hauch Post-Metal herüberwehen. Ebenfalls wiederkehrend sind an Djent gemahnende Downtuning-Riffs, die allerdings rein ästhetisch ist. Wirkliche Polyrhythmik wird hier nicht zelebriert, auch wenn die Luxemburger durchaus gerne mal mit krummen Takten operieren.

MINDPATROL sind nicht zu verwechseln mit MIND PATROL

Wesentlicher Bestandteil, unabhängig davon, mit welchen Mitteln MINDPATROL ihren Prog auskleiden, ist eine Hardcore-Komponente, dank der Härte im Sound von „Ikaria“ eine zentrale Rolle spielt und dank der ein guter Anteil des Gesangs von brüllender Natur ist. Dieser wird, typisch für modernen Metal, regelmäßig durch klaren Gesang sekundiert. Besagter Klargesang entstammt zwar keinen beeindruckend ausgebildeten Glocken, erfüllt aber seinen Zweck, um Hooks wie die von „Freedom And The Birdcage“ zum Beispiel nachhaltig im Gedächtnis des Hörers zu verankern, ist damit also etwa auf dem gleichen Niveau anzusiedeln wie die Gesangspassagen aus dem Metalcore der frühen Zweitausender (was nichts per se Schlechtes sein muss).

Es ist also hart und modern. Dabei fehlt es den Luxemburgern vor allem am Fingerspitzengefühl für Songwriting, etwas, dessen Ermangelung bei einem einstündigen, romanbegleiteten Konzeptalbum schon ziemlich gravierend ins Gewicht fällt. „Permanent Solution“ beispielsweise würde mit dem Druck, den der Song von Anfang an aufbaut, für eine kurze, knackige Modern-Metal-Hymne sogar in Ordnung gehen. Aber das uninteressante, quietschige Gitarrenlead, das nach einiger Zeit nur noch im Ohr wehtut, nimmt das Rampenlicht störend ein und lenkt von der an sich guten Hook ab. Und so richtige Dynamik baut sich trotz solider Riffarbeit und einer eigentlich klar erkennbaren Struktur nicht auf. Das Ergebnis: Bei diesem Song, der einen eigentlich beim Schopfe packen sollte, schaltet man relativ schnell ab.

„Ikaria“ schwächelt vor allem beim Songwriting, der Rest ist solide

Dieses Problem plagt eine ganze Reihe von Tracks auf „Ikaria“. MINDPATROL klingen auf ihrem vierten Album routiniert genug, dass sämtliche technische Aspekte im grünen Bereich sind. Gleichzeitig haben sie sich mit einigen Songwritingentscheidungen aber auch stur im Matsch festgefahren, sodass die Reifen durchdrehen. Die eben erwähnten Leads beispielsweise tauchen in mehreren Songs auf und werden einfach nicht besser – die Ausnahme bildet das ein oder andere Tapping-Lead. Dazu setzt der Klargesang zu selten zu stimmlichen Höhenflügen an. Besonders gravierend macht sich das bei „Unsung Healing Song“ bemerkbar, ein Track, bei dem klarer Gesang eine gewichtige Rolle spielt, aber aufgrund der nicht ganz zielsicheren Intonierung teilweise ziemlich unbeholfen in der Luft hängen bleibt. Unbeholfen klingen auch die klaren Gesangslinien von „Stainless White“, ganz zu schweigen von dessen Melodieführung.

Und gesangliche Höhenflüge sind etwas, was die Luxemburger durchaus hörbar drauf haben, wie zum Ende von „To Raise Another Wall“ zu hören ist, was die Frage aufwirft, warum das nicht öfter so gut klingen kann. Auch haben sie impulsive Breaks drauf, die den Kalk aus den Ohren rieseln lassen. Aber sie stopfen ihre Songs mit Ideen voll, die nicht fruchten, weil ihnen kein Raum zur Entfaltung gewährt wird bzw. weil sie diese ständig im Lärm untergehen lassen. Folglich liefern MINDPATROL auch wenig Grund, nach einmaligem Hören zu „Ikaria“ zurückzukehren (abgesehen von der kritischen Auseinandersetzung, versteht sich). Fast jeder Track bekommt dieses Modern-Prog-Korsett übergestülpt, sodass sich nach einiger Zeit ein Gleichklang einstellt.

Kein Wunder also, dass der Titeltrack, eine mitreißende, zur Abwechslung mal angenehm dezente Zupferei auf der Akustischen, so eine erholsame Oase in diesem verbissenen Lärm darstellt. Wirklich nur was für investierte Verfechter modernen Extrem-Progs.

27.05.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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