Mike Patton & Jean-Claude Vannier - Corpse Flower

Review

Leicht hat es Mike Patton seinen Hörern noch nie gemacht. Klar, FAITH NO MORE und irgendwo auch TOMAHAWK sind da als für Patton-Verhältnisse konventionelle Spielweisen außen vor, aber abseits davon unterhält der alte Querkopf Avantgardisten mit zahlreichen, zum Teil echt schrägen Kapellen von MR. BUNGLE bis FANTÔMAS und diversen, kleineren Nebenprojekten. Neuestes Pferd im Stall der Kuriositäten: „Corpse Flower“, das er zusammen mit dem berüchtigten, französischen Komponisten Jean-Claude Vannier auf Silber gebannt hat. Und wenn sich zwei visionäre Geister treffen, dann kann das Ergebnis für den Normalsterblichen schon mal etwas undurchdringlich geraten.

Mike Patton schlägt wieder zu – und hat Jean-Claude Vannier dabei

Und ja: „Corpse Flower“ ist ein ziemlich schräger Brocken. Die Grundlage ist sicher irgendwo zwischen Düster-Rock und Barhocker-Songwriter-Pop angesiedelt, in die Vannier seine klassischen, auch mal leicht jazzigen Arrangements einimpft. Gepaart mit Mike Patton und seiner größtenteils Spoken Word-artigen Darbietung kommt das Gehörte oft dem akustischen Film Noir gleich. Dazu passt das lyrische Sammelsurium aus Kunst und Krempel. Neben einem vertonten Gedichtsfragment von Oscar Wilde („Ballad C.3.3“), der Schilderung des Schultages eines Mädchens mit Twist („A Schoolgirl’s Day“) und einfach nur komischem Zeug („Top Of The World“) gibt es allerlei zu entdecken.

Besonders interessant sind natürlich die Arrangements, in welche die lyrischen Ergüsse eingebettet sind. „Insolubles“ zum Beispiel scheint einerseits mit klassischem Chanson zu kokettieren, gleichzeitig wurden den Melodien hier und da der ein oder andere orientalische Hauch verpasst. Der Rausschmeißer „Pink And Bleue“ bettet den Hörer in ein samtiges Gewand aus Streichern, während der Track mit den irgendwie romantisch schmachtenden Melodien leichte Erinnerungen an Pattons eigenwillige Neuinterpretation italienischer Popmusik auf „Mondo Cane“ weckt.

„Corpse Flower“ ist ein Strauß voller Kuriositäten

Etwas geradliniger aber nicht minder schräg darf zwischendrin auch mal gerockt werden, zum Beispiel mit „Camion“, das zu gequält aufheulenden Gitarren einen Schuss „Evidence“ hinzufügt. Ähnlich geht es einem „Browning“, das mit einer ziemlich eingängigen Hook daherkommt. Das sorgt für Abwechslung, auch wenn ein rein symphonischer Mike Patton für sich genommen natürlich auch bestens funktionieren würde. Ärgerlich ist da eigentlich nur, dass die Songs zwischen diesen Höhepunkten, zum Beispiel der Titeltrack, gelegentlich dazu neigen, in Repetition abzudriften und daher im Schatten der besseren Tracks stehen.

So ganz hunderprozentig gelungen ist „Corpse Flower“ damit also nicht und kommt daher auch nicht über den Status eines Geheimtipps hinaus. Dennoch gelingt es den beiden, eine durchweg dunkle, verranzte Stimmung zu erschaffen, ohne den Hörer damit zu erdrücken. Pattons Monologe sind stimmungsvoll und passen hervorragend zu Vanniers subtilen Arrangements. Generell ist Reinhören also jedem empfohlen, der das Werk Pattons schätzt oder generell etwas schrägeren Klängen nicht abgeneigt ist. Und die besagten Arrangements machen den Ausflug auch für Klassik-affine Hörer lohnenswert.

12.10.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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