Midas Fall - Cold Waves Divide Us

Review

Was wir als gute Musik wahrnehmen, ist oft genug höchst subjektiv. Und meist sind wir, der Redaktionscorpus von metal.de™, die wir ja gerne so hochtrabend tun, auch nicht viel mehr als ein Haufen mehr oder minder emotional gesammelter Organismen, die auf die ein oder andere Weise auf Musik reagieren und diese Erfahrung dann mehr oder minder elegant in Worte fassen. Der eher wohl gesammelte Teil der Redaktion erfreut sich zum Beispiel an den einfachen Dingen, wie beispielsweise räudiger und/oder atmosphärischer Schwarzwurzelgebräue, Death- und/oder Doom-Kost der gediegeneren Art oder Qualitätsware von der Traditionsfront. Und dann gibt es solche, die gerne richtig, richtig tief, geradezu obsessiv, in ein Album eintauchen und jede noch so belanglos anmutende Facette beleuchten möchten. Für solche Individuen sind Alben wie das hier vorliegende, fünfte Werk „Cold Waves Divide Us“ von MIDAS FALL gemacht.

Faszinierende Post-Rock-Filmografie für geduldige Hörer

Im Kern ist die schottische Band um Liz Heaton immer noch dem Post-Rock verschrieben, was man an gewissen Signaturelementen erkennen kann wie anschwellenden, auf stimmungsvolle Klimaxen zuarbeitende Songstrukturen, schwelgerischen Gitarrenleads mit minimaler Zerrung und haufenweise Chorus-Effekten sowie dem Hang zu raumgreifender, angenehm kühler Melancholie, bei deren Inszenierung gerne weitere Instrumente wie Streicher sowie perlende Electronica zur Hilfe genommen werden. Wo sich die Formation dann für Nicht-Fans generischen Post-Rocks interessant macht, ist allen voran Heatons Gesangsdarbietung. Diese ist meilenweit vom in sich gekehrten Gesäusel entfernt, das für viele, unsereins inklusive, oft ein rotes, prätentiöses Tuch darstellt, sondern rangiert oftmals recht nah an Folk-Pop-Gewohnheiten, durch welche man auch am ehesten einen Zugang zu „Cold Waves Divide Us“ findet.

Dieser ist zwar mitnichten vernagelt, doch der generell eher zurückhaltende Grundton des Albums fordert schon einige konzentrierte Umdrehungen, bis sich das Gehörte allmählich und in all seiner Pracht in den Gehörgängen festhakt. Da hilft ein vergleichsweise peppiger Song wie „I Am Wrong“ ungemein, in dem Heaton nicht nur mit extrovertierten Vocals auftrumpft, sondern in dem auch rauer angezerrte Gitarren für eine gute Erdung sorgen. Dadurch gerät der Song vergleichsweise angenehm zugänglich, ohne in oberflächliches Alternative-Geplänkel zu degenerieren, etwas was MIDAS FALL durchaus auf „The Menagerie Inside“ widerfuhr. Dies wird nun, zwei Full-Length-Alben später, deutlich eleganter umschifft, sorgt aber eben auch dafür, dass „Cold Waves Divide Us“ eine längerfristige Beschäftigung von Seiten der Hörerschaft einfordert.

MIDAS FALL laden mit „Cold Waves Divide Us“ zum Verweilen ein

Angesichts der ansprechenden Inszenierung selbst der balladeskeren Cuts ist das im hiesigen Falle jedoch eine absolut lohnenswerte Investition, denn „Cold Waves Divide Us“ ist ein wirklich gutes, ästhetisch höchst ansprechendes Album geworden. Denn wenn selbst „In This Avalanche“, ein Song der anderweitig vermutlich zu einem Saccharose-lastigen Schmalzer verkommen würde, so dermaßen souverän unter die Haut geht wie hier, dann hat die Band hierhinter irgendetwas richtig gemacht. Viel hat hier vermutlich auch mit dem cineastischen Geschick zu tun, mit dem zu Werke gegangen wird, das selten wirklich weit von dem besten entfernt ist, was die Filmmusik zu bieten hat. Die Soundlandschaften sind so feinsinnig texturiert, dass sie praktisch für sich sprechen würden, wenn man sie allein lassen würde; Heaton und Co. arrangieren sich und ihren Post-Rock mit ausreichend Feingefühl drum herum, dass diese Verschmelzung tatsächlich gelingt.

MIDAS FALL zeigen mit ihrer Lautmalerei ein ähnlich geschicktes Händchen für großes, emotionales Kopfkino wie die Post-Metal-Filmographen HYPNO5E in ihren ruhigeren Momenten, abzüglich klischeehafter Spoken-Word-Samples und dafür umso mehr Folk-/Pop-affiner Gesangslinien, die vor dem eindringlich betörenden Backdrop schlicht und ergreifend wie Seelenbalsam wirken. Man höre hier nur „In This Avalanche“ oder „Little Wooden Boxes“. Selbst wenn sich die Schotten wie in „Atrophy“ mal etwas mehr in Richtung SIGUR RÓS bewegen, lässt die Qualität nicht nach, auch wenn hier vielleicht ein bisschen Druckabfall in Sachen Qualität zu vermelden ist. Doch das stört den Gesamteindruck nicht wirklich, dafür ist das Album einfach zu stark. Diese kühle Melancholie lädt einfach nur zum Verweilen in bittersüßer Glückseligkeit ein.

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29.02.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Midas Fall - Cold Waves Divide Us

  1. Watu sagt:

    Was ich so bisher kenne, ist das schon sehr nett, aber gerade die Vocals dümpeln mir häufig etwas zu belanglos vor sich hin. Als Mixtur irgendwo zwischen The 3rd and the Mortal und The Gathering, was ich ja absolut herbeisehne, sind die Schwächen in dem Vergleich doch zu offensichtlich. Obwohl ich die Vocals in Ordnung finde, würde mir das Album glaube ich instrumental besser gefallen. Tendenziell eine 7 Punkte Marke, also gut, mehr aber auch leider nicht.