Mgla - Age Of Excuse

Review

MGŁA sind in aller Munde, denn musikalisch haben die Polen in der Vergangenheit nicht nur ein Ausrufezeichen gesetzt. Die EPs waren Wegbereiter für einen eigenen Sound, der sich in den Studioalben entwickelte und verfeinerte – für manche Hörer sogar perfektionierte. Das hat MGŁA an einen Punkt manövriert, von dem sie trotz gefühltem Undergroundstatus auch auf etablierte Bands schauen. Keinesfalls arrogant, solch ein menschlicher Unfug ist den Lebensverneinern schnurzpiepegal. Fokus aufs Wesentliche: Nein, MGŁA haben das Rad nicht neu erfunden, sie haben die Maschine Black Metal durch viele kleine Räder ergänzt, die einwandfrei ineinandergreifen. Das Problem, wenn eine Band diesen seltenen Punkt erreicht? Es ist oft der Zenit.

„Age Of Excuse“ von MGŁA – überraschend veröffentlicht, wenig überraschende Qualität

MGŁA mussten bei der Konzeption von „Age Of Excuse“ eine Kurve gehen. Weitere Alben in der Art von „With Hearts Toward None“ und „Exercises In Futility“ hätten nicht nur Stagnation, sondern Wiederholung bedeutet. Und es gab bereits entsprechende Ansätze. „Age Of Excuse“ ist das erste Studioalbum, das aus dem bekannten musikalischen Kosmos ausbricht. Genau zur richtigen Zeit, bevor sich Redundanz einschleicht. Eines der stärksten Charakteristika ihres Sounds sind oder waren die Moll-Gitarrenleads. Das musste sich ändern. MGŁA haben es geändert.

Kein neues Kapitel, aber eine deutliche Entwicklung

Bei Veränderungen ist immer die Frage, ob ein neues Kapitel aufgeschlagen wird oder eine Entwicklung stattfindet. BEHEMOTH sind mit „The Satanist“ beispielsweise dem ersten Pfad gefolgt, haben quasi ein gänzlich neues Buch geschrieben und damit vermutlich ihr Magnum Opus geschaffen. MGŁA haben sich entwickelt. Wer nicht genau aufpasst, hört den Fortschritt vielleicht nur in Nuancen. Daher die klare Empfehlung: keinerlei Ablenkung bei „Age Of Excuse“. Auch der Zeilenschreiber fühlte sich vom Neuwerk zunächst nicht abgeholt. Das änderte sich schlagartig, als die Lieder zum ersten Mal ungefiltert wahrgenommen wurden. MGŁA erschaffen keine Musik, die im Gehörgang versiegt – für die Nummern zwischendurch gibt es wahrlich andere Bands. Die Gesamtheit der Noten von „Age Of Excuse“ wirken nicht wie eine Aneinanderreihung, sondern wie eine Formel, um tiefere Ebenen zu erreichen. So wird es nicht jedem rezipierenden Wesen gehen, weil der Grad der Offenheit und Sensibilität sehr subjektiv sind. Aber das Potenzial ist da. ULTHA können das zum Beispiel auch. Der Schaffensprozess geht hier über das bloße Schreiben von Musik hinaus und erreicht schöpferische Ebenen, weil das Konglomerat aus Sound, Lyrik, Vocals, Image, Atmosphäre, Songstruktur bis ins kleine Detail stimmig ist und die Aufnahme kognitiv erweitern kann.

Haben MGŁA ihr Subgenre kreiert?

Was ist anders? Die Vocals klingen leicht verändert und die Ride klimpert phasenweise noch innovativer. Nicht in der Gänze, aber auffallend oft tönen die Gitarren alarmierend. Diese Neuheit zieht sich wie ein roter Faden durch „Age Of Excuse“ und modifiziert auch die grundlegende Attitüde in Teilen. Interpretatorisch ist das der spannendste Aspekt. MGŁA werden ihre Masken nie abnehmen und ihre Zugehörigkeit zu dieser Welt anerkennen. Trotzdem wirkt alles, was „Age Of Excuse“ ausstrahlt, aufwühlt, kitzelt, entzerrt, zerreißt wie ein negierter Fingerzeig. All die Harmonien erzeugen keine Positivität. Keine der Melodien rütteln am verneinenden Standpunkt. MGŁA sind nie brutal, diabolisch, sondern transportieren Gedanken und Gefühle nach wie vor über Melancholie und Depression. Im Zeitalter der Entschuldigung erscheint der Nihilismus weniger passiv, weil das Sinnlose nicht mehr nur thematisiert wird, sondern ein Gesicht erhält – zumindest in Konturen. Dadurch drängt sich eine erneuerte Sichtweise auf: MGŁA erschaffen eine Form des Depressive Black Metal, der ohne Ritzen auskommt und damit stärker im Nihilismus verankert ist. „Age Of Excuse“ führt das fort und kreiert eine Art Subgenre: post-nihilistischer Black Metal. Wem das alles zu dramatisch ist: kein Problem, sogar verständlich. Unterm Strich gehören MGŁA aber zu den Bands, die für ein komplettes Genre eine besondere Bedeutung hatten, haben und weiterhin haben werden.

04.10.2019
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