Meshuggah - Destroy Erase Improve

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Vor einiger Zeit reflektierten wir ja schon einmal über einen gewissen, musikalischen Umbruch, der sich in den Neunzigern abzeichnete. Damals modernisierte sich der Metal mehr und mehr, machte sich die besser werdenden Hilfsmittel der digitalen Welt zu eigen und das resultierte in einem markanten Sound, der maschineller, kälter und düsterer klang als zuvor. Und in gewisser Weise kann man die frühen Alben von MESHUGGAH ebenfalls als ein Produkt dieser Zeit bezeichnen, auch wenn in einer alten Bandbiografie der Begriff METALLICA als Einfluss der Frühwerke auftaucht. Und ja, man hört das noch ein bisschen beim Debüt „Contradictions Collapse“ heraus.

Als MESHUGGAH langsam zu MESHUGGAH wurden

Doch das Debüt zeigte bereits komplexe Ansätze in Form von rhythmischen Verschachtelungen und krummen Takten, eingefasst in eine kalte, zeitgenössische Produktion, die den quintessentiellen Neunziger-Sound repräsentiert und mittlerweile vermutlich schon einen gewissen, nostalgischen Wert genießt. Die progressiven Ansätze, mit denen die Schweden ihre Pionierarbeit leisten würden, waren also vorhanden, aber richtig komplex sollte es erst mit dem Folgewerk werden, hier zu besprechendes „Destroy Erase Improve“, bei dem der Abakus erstmalig so richtig ins Schwitzen kommen sollte – der Grundstein für die Entwicklung von Subgenres wie dem Djent wurde u. a. mit diesem Album gelegt.

War der Vorgänger also noch relativ firm in Thrash-Gewohnheiten seiner Zeit eingebettet mit Anzeichen des progressiven Aufbruchs der Band und damit vergleichsweise zugänglich, so manifestierte sich die Entwicklung der Band mehr in Richtung der progressiveren Seite zunächst auf der EP „None“, ehe das zweite Full-Length-Album „Destroy Erase Improve“ diese Entwicklung kürte und MESHUGGAH auf jenem Weg führte, der ihnen ihren heutigen Status bescheren sollte. Die Thrash-Elemente blieben ein Bestandteil des Kernsounds, ebenso wie vereinzelte Groove-Metal-Elemente, die beispielsweise in „Beneath“ die Rhyhtmus-Maschinerie schmieren.

„Destroy Erase Improve“ wagte den Blick nach vorne

Das ganze hatte zu seiner Zeit noch nicht die schädelspaltende Heaviness eines „Koloss“ inne und klang trotz seiner revolutionären Ideen doch noch quintessentiell nach Neunziger. Doch von genau dieser Kälte lebt der arschgeile Opener „Future Breed Machine“ halt auch einfach. Und sie verleiht ihm (und dem Rest der Songs) auch die eigentümlich maschinellen Charakteristika, mit denen Becken, Snare und Co. das eifrige Treiben eines mehrachsigen Getriebes nachzuahmen scheinen. Abartig schön groovt sich auch „Vanished“ ein, einer der melodischeren Tracks der Platte. Melodien tauchen generell zuvorderst in den ruhigeren Passagen auf, welche die Schweden aber kontrastreich aufblühen lassen – etwas was man in diesem Track besonders schön in Aktion erlebt.

Die Melodiearbeit ist also nicht aus dem Sound verdrängt worden, sondern wird phasenweise sogar vertieft. Im Instrumental „Acrid Placidty“ steht sie im Mittelpunkt und gibt einen Einblick darin, was für ein geschicktes Händchen die Herren schon damals für Atmosphäre hatten. Dass diese Momente mit Bedacht eingestreut werden, ist wiederum eine der großen Stärken von „Destroy Erase Improve“ und verankert sie letztlich doch unmissverständlich im Extrem-Metal, aber eben mit reichlich Tiefe und erstaunlichem Feingefühl versehen. Letztlich erwies sich das Quintett eben neben ihrer technischen Versiert und ihres Kalküls auch als behände Songschreiber.

Der Grundstein wurde gelegt

Tja und mit diesem Album begann der Triumphzug von MESHUGGAH, auf dem sie später mit Alben wie „Chaosphere“, „Catch 33“ oder „ObZen“ weiter aufbauen würden. Rückblickend muss man Nuclear Blast zugestehen, dass sie den richtigen Riecher bewiesen, um ihr Vertrauen in die Vision des Quintetts zu setzen, zumal die Herren ja eines der früheren Pferde im Stall des Donzdorfer Labels gewesen sind. Man kann über die spätere Entwicklung der Stallung natürlich sagen, was man möchte, aber zumindest damals sollten sie vollkommen recht behalten, denn „Destroy Erase Imrpove“ ist eines der wichtigeren Alben der neueren Metal-Geschichte.

Von hier an schraubten die Schweden immer weiter an diesem Sound herum und entwickelten ihn in die ein oder andere, bedeutsame Richtung weiter. Und selbstredend sind dabei auch Klassiker wie „Demiurge“ oder das unvermeidbare „Bleed“ bei herum gekommen. Doch der Grundstein wurde hier gelegt mit einem Album, dessen technischer Aspekt seiner Zeit voraus war, ohne das Songwriting allzu sehr zu vernachlässigen. Und auch wenn sich ein konsistenter Kritikpunkt – Kidmans monotones Gebrüll – immer wieder hartnäckig über dem Wirken hält, kratzt dieser die Bedeutsamkeit dieser Veröffentlichung wenig an. Immerhin streuten sie auch in dieser Hinsicht Abwechslung in Form von Spoken Word-Passagen und Gangshouts ein, was mehr ausmacht als man denkt.

Ein wichtiges Album also, nicht nur für die Band selbst sondern für die Entwicklung des (Extrem-)Metal im Allgemeinen.

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19.06.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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10 Kommentare zu Meshuggah - Destroy Erase Improve

  1. noehli69 sagt:

    Hatte ich mir einst zugelegt wegen der mega Bewertungen und den folgenden Bandhype. Bin aber leider nie wirklich mit Meshuggah warm geworden auch mit den neueren Sachen tu ich mich schwer. Für mich ist das irgendwie nicht greifbar, bin wohl kein Meshuggah-Typ

  2. motley_gue sagt:

    Oh mein Gott, was für ein Album. Kein einziger schlechter Song, das meiste davon überhaupt großartig. Der Sound hat sicher nicht den Druck einer heutigen Produktion, aber war damals eine Macht und ist auch durchaus transparent. Den erwähnt monotonen Gesang finde ich für dieses Album als einfach passend, er macht viel von der maschinell-aggressiven Atmosphäre überhaupt erst aus.
    Wenn man bedenkt, wohin ein Großteil der Bands in den 90ern geschippert sind, muss man Meshuggah und ein paar anderen Bands einfach nur danken, weil sie die Aggression im Metal nicht beiseite schoben, sondern hegte und pflegten. Und sie haben Dinge neu gemacht, waren progressiv im besten Sinn. Technisch ist das ganze sowieso over the top – vor allem natürlich die Rhythmik und das Drumming, für mich aber auch immer wieder die kalten dissonanten Leads.

    Weil das ganze auf Nuclear Blast rausgekommen ist, muss ich leider einen Punkt abziehen und kann somit nur 11 Punkte vergeben. Ernsthaft: NB hatte damals den Mut, so etwas wirklich zu pushen. Dafür sei ihnen vieles verziehen. Für mich sind Meshuggah bis heute immer noch das Paradebeispiel, dass NB nicht jede Band zähmen und egalisieren.
    Leider kann ich die völlig verdienten 11 Punkte nicht vergeben, weshalb ich mich auf 10 besinne.
    Die 9 hier sind sträflich underrated.

    10/10
  3. nili68 sagt:

    Vermutlich verstehe ich das nur nicht (ernsthaft!), aber ich finde das total scheiße, wie alles von denen. Das Geschrei ist mir zu eintönig und musikalisch zu abgehackt. Eher für Techniker als Gefühlsmenschen. Kann handwerklich anspruchsvoll sein, aber für mich kommt da nix rüber. Hab’s wegen dem Hype (relativ) auch oft versucht. So ähnlich wie mit Tool, wenn auch andere Musik.

  4. doktor von pain sagt:

    Geht mir ähnlich. Ich habe es früher immer wieder mal mit Meshuggah versucht und mir irgendwann sogar im Angebot ein Album von denen gekauft („Obzen“), aber die waren am Ende doch nie mein Fall. Kann man nix machen.

  5. blackthrash sagt:

    Habe den Wirbel um diese Band nie verstanden. Aber bei Tool (mehrfach Live gesehen), Mgla, Watain und Dissection ging es mir ähnlich. Hat mich nie gejukct, kein Zugang, nichts. Alles klingt so austauschbar.

  6. deadguy sagt:

    Wo die von dir genannten Bands austauschbar klingen wüsste ich gerne *facepalm*

  7. metal-maniac sagt:

    Das halte ich aber auch für eine sehr gewagte Aussage. Ok, bei Watain gehe ich ein Stück weit mit, hat mich auch nie so richtig abgeholt obwohl ich deren Qualität schon irgendwo anerkenne…

    Zu Meshuggah: Diese unglaubliche Ehrerbietung habe ich auch nie verstanden. Vielleicht ist das wieder so eine Band wo man selbst Musiker sein muss um das richtig verstehen zu können, ich tu’s jedenfalls nicht. Hin und wieder höre ich mal ganz gerne einen oder zwei Songs, einfach weil es mal was Anderes ist. Auch live ist dieses kalte, mechanische und dabei unglaublich Präzise eine Zeit lang wirklich beeindruckend, gerade in Kombination mit der geilen Lichtshow, auf Konzertlänge war es mir dann aber doch viel zu eintönig…

  8. motley_gue sagt:

    Ich glaube, der Punkt ist: macht einen riesigen Unterschied, ob man A) selbst so eine Art von Musik grundsätzlich interessant findet (bei Musik, die ich per se nicht mag, klingt natürlich alles gleich), und B) ob man die Band früh oder erst viel später für sich entdeckt. Wenn es drölfzig Nachahmer gibt, ist es natürlich austauschbarer. Zum Entstehungszeitpunkt von innovativen Werken hat es per Definition eben nichts Vergleichbares gegeben. 10 oder 20 Jahre später kann das natürlich völlig anders aussehen.

  9. destrukt. sagt:

    Dass Meshuggah austauschbar klingen, halte ich auch für stark überzogen, auch heute noch. Austauschbar vllt im Bezug auf ihren eigenen Backkatalog, aber nicht im Bezug auf andere Bands. Gleichwohl kann ich dennoch sehr gut nachvollziehen, wieso Meshuggah nicht jedermans Cup sind.
    Dazu ist Tomas Haake sicherlich einer der Gründe, wieso Extreme Metal Drummer in der Musiklandschaft nicht mehr nur aus stumpfe Sporttrommler, sondern als ernstzunehmende Musiker wahrgenommen werden.

    Das Album selbst hat bei mir nie gezündet. Das Songmaterial an sich ist bereits richtig gut, aber dieser post-grungige/nu-metallige Sound (der mich iwie nonstop an die „Hate“ von Grave erinnert) ist einfach nicht meins, die Produktion selbst einfach viel zu dünn. Deswegen gefallen mir Meshuggah auch erst ab der „Catchthirtythree“.

    7/10
  10. blackthrash sagt:

    @motley_gue, vielleicht hätte ich lieber „langweilig und öde“ nehmen sollen. Mit Bands wie Watchtower, Cynic, Atheist, Half Empty Glasshouse oder den hier sehr verhassten Ou, kann ich was anfangen. Hab einfach den Hype um diese Bands nie verstanden