Einfach nur schön, wie sich manche Bands selbst überschätzen. Ich zitiere: „MEROE, ist kein ’nerviges halbakustisches Gähn-Geschrammel‘, in schlechtester Cranberries-Manier'“ – gleich mehrmals [sic!] Ja, hier bei MEROE „dürfen Gitarristen noch Helden sein, Schlagzeuger ein Solo spielen, Bassisten zeigen was sie können und Sänger Songs zum Besten geben, die sich sofort im Gehörgang festsetzen“. So lassen die 2000 gegründeten MEROE auf ihrem dritten Studioalbum auch „die introvertierte Weinerlichkeit vieler Bands der vergangenen Jahre vergessen“. Alles klar.
Und? Kann „Sick Society“ halten, was die Bandinfo auf Facebook und der Homepage verspricht? Nö, kein Stück. Also, ja, doch: Es wird schon anständiger Oldschool Hard Rock gespielt, der ohne Probleme auch aus den Achtzigern kommen könnte (wäre die Musik nicht auf moderne Weise halbtot produziert worden). Ja, der Gitarrist darf meinetwegen ein Held sein, schließlich spielt der ein paar feine Riffs und kann auch mit dem einen oder anderen Solo glänzen. Im Gegenzug gibt der Sänger aber statt Jahrhundertohrwürmer eher tausend Mal gehörte, ausgelutschte Zuckermelodien zum Besten, und überhaupt, was ist denn die Ballade „Kissin‘ A Dream Goodbye“ wenn nicht Weinerlichkeit? (Wenn auch keine introvertierte Weinerlichkeit, der Punkt geht an euch, MEROE.) Ach, und wer beim Albumtitel „Sick Society“ an sozialkritische, politische oder gar tiefgründige Texte denkt: abgesehen vom Opener „Children Of The Innocence“ auch Fehlanzeige. Stattdessen bekommt der Hörer schmissige Zeilen wie „Come on and show your love“ oder auch Mega-Refrains wie „Here in my heart / I have a place for you / Hear the angels in the sky / When I think of you“ an den Kopf geworfen.
Vielleicht meckere ich einfach auf zu hohem Niveau – schließlich wollen MEROE ja im Grunde nichts anderes als old school sein. Aber wer es auf diese Art und Weise herausfordert, muss eben auch mit ein paar klaren Worten rechnen: Ja, MEROE sind nicht so richtig schlecht, manche Riffs bleiben ja auch gut im Ohr hängen – abgesehen davon, dass der Gitarrist sein Instrument wirklich zu bedienen weiß, bleibt aber sonst eben nicht viel. Wer alles kauft, was als „Achtziger-Style“, „Alte Schule“ und „Ehrliche Musik“ gelabelt ist, darf auch bei MEROE gerne zuschlagen. Wer mal was Neues, etwas wirklich Ausgeklügeltes oder etwas wirklich Hängenbleibendes (kurz: etwas mehr als zahnlose, brave Mittelmäßigkeit) ausprobieren will, sollte eher einen Bogen um „Sick Society“ machen. Es gibt eben Dinge, die noch um einiges lächerlicher sind als die „introvertierte Weinerlichkeit“ jüngerer Rockbands – zum Beispiel maßlose Selbstüberschätzung.
Rein musikalisch wären das wohl vier von zehn Punkten, allerdings gibt es von mir noch Abzug für teilweise wirklich schlechte, kitschige Texte inklusive sehr, ähm, kreativen Versuchen, Reime zu bilden. Wen das nicht stört, darf, wie gesagt, noch einen Punkt drauf legen und sich an den paar coolen Riffs erfreuen.
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