Mercenary - 11 Dreams

Review

Galerie mit 37 Bildern: Mercenary - Neckbreakersball 2011

„Sehr verehrte Tierfreunde, heute wenden wir uns erneut der skandinavischen Elchpopulation zu. Während wir zuletzt die schwedischen Elks bei der Aufzucht ihrer Jungen beobachten durften, betrachten wir in dieser Sendung Nahrungserwerb und Revierverhalten der dänischen Tiere… oh, ich höre gerade, dass in Dänemark in freier Wildbahn gar keine Elche leben.“

Und während sich Heinz Sielmann die Birne von der Schultern wiegt, um den Kids den Unterschied zwischen Gehörn und Geweih beizubringen, erinnere ich mich an MEINE letzten Elks, die fähig waren, mich vollends zu überzeugen. Das waren auch Schweden … namens Chastisement.
Mal sehen, was die dänischen Zooelchbullen von Mercenary mit ihrem neuesten Output abgeliefert haben. Der erste Durchgang : Oha! Mächtig, mächtig! Die Produktion ist erste Sahne und eines echten Geweihträgers mehr als würdig. Druckvoll bei nicht nachlassender Transparenz. Dabei hat sich der ursprüngliche melodische Death/Thrash des Sextetts gegenüber den Vorgängerlangrillen und dem Großteil der internationalen Konkurrenz in andere Sphären bewegt. Wo die meisten Schwedenelche mit nachdrücklicher Vehemenz durchs Unterholz pflügen, haben wir es im vorliegenden Falle eher mit besonders kräftigen Antilopen zu tun, die flink durchs Dickicht hüpfen und einen wahren Freudentanz aufführen.
Facettenreich, hochmelodisch und an den meisten Stellen mit zunächst glänzenden Hooks symphonischen Charakters („Sharpen The Edges“) versehen, dringen die Songs ans Ohr; verbinden sie doch die scheinbar besten Momente von Herzschmerzhärtnern wie Soilwork („Firesoul“), In Flames und Nevermore („11 Dreams“) mit denen von typischen Todesbleiartisten und darüber hinaus mit klassischen Heavy und Power Metal Anleihen.

Vor allem der variable Gesang von Sandager, der nicht nur die genreüblichen Kreisch-Grunzparts mühelos meistert, sondern auch angenehm oft seine cleane Stimme einsetzt, ist ein dicker Pluspunkt für Mercenary. Abwechlungsreichtum ist ebenso Trumpf wie ausgefeiltes Zusammenspiel der Mucker.
Problem ist nur, dass ich mir die Scheibe oft angehört habe. Leute, das ist ein Fehler!
Während andere Silberlinge von Mal zu Mal besser werden und bei jedem Durchlauf an Überzeugungskraft gewinnen, nutzen sich die „11 Dreams“ langsam aber sicher ab. Nach der anfänglichen Begeisterung wird dann offenbar, dass eben NICHT die besten Momente der besagten Bands/Genres zusammengeschmiedet wurden. Ja, man kann sich ein Album auch langweilig hören … unglaublich, aber wahr. Nicht, dass es dadurch wirklich schlecht würde, aber die zündende Wirkung wie beim ersten Hören wird einfach nicht mehr erreicht. Da dringt der Geschmack von Aufgewärmten leider zu penetrant durch. Alle Widerhaken sind abgebrochen und die Songs flutschen jetzt einfach durch den Gehörgang… die symphonischen Passagen wirken seicht, die Riffs ausgelutscht und das Songwriting schlabberig wie ein Pullover ohne liebevolle Pflege mit Rei gegen Leierbündchen.

Da kann das wohl unvermeidliche Coverartwork von Niklas Sundin (scheint ja der einzige Künstler in Skandinavien zu sein, harr) auch nichts mehr reißen.

Mercenarys progressivere Labelkollegen Into Eternity aus Kanada schaffen es einfach, die Tracks dauerhaft interessant zu gestalten. Es mag auch daran liegen, dass die Nordamerikaner ein wenig aggressiver sind; die Dänen haben zu sehr auf Weichspüleranteile (siehe auch das Pop-Cover „Music Non Stop“) gesetzt. Tja, in Kanada leben ja auch noch freie Elche!!!

18.10.2004

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3 Kommentare zu Mercenary - 11 Dreams

  1. Anonymous sagt:

    Die Melo Death Schublade wird dem Album und der Band nicht gerecht, über weite Strecken fehlt die Melodie und vom Death Metal ist so gut wie fast garnix zu sehen. Dafür gibt’s hier hübsch synphonische Kompositionen zu hören die einer vielzahl von Stimmeffekten aufgepeppelt wurden. Dadurch wird die ganze Chose doch recht interessant zu hören, allerdings muß man die Songs auch nicht gerade direkt ins Herz schliessen,weil 1. zu wenig Melodie und 2. oft viiieeel zu lang. Der einzige Song der gnadenlos gut gelungen ist ist die Abschlussnummer "Loneliness", die wohl wirklich ein paar Wochen braucht bis man sich an ihr sattgehört hat *schwärm*. Aber wo Licht ist gibt’s auch Schatten und ich bezweifle daß sich die meisten Leute mehr als einmal durch die ganz, ganz grauenhafte Coverversion "Music Non Stop" (was ist das überhaupt für ein Scheisslied ?!?) quälen werden. Insgesamt gerade noch 7,5 Punkte. "Everblack" hat mehr gekickt…

    7/10
  2. Anonymous sagt:

    Okay für nen Deathmetal-Maniac is die Scheibe sicherlich nix, dafür ist sie einfach zu melodisch! Aber ich denke für Metaller wie mich die für alle Metalrichtungen offen sind ist die CD eine riessen Offenbarung! Von Abnutzungserscheinungen merke ich nichts, die CD läuft bei mir fast täglich. Bis jetzt ganz klar die Scheibe des Jahres neben Raunchys "confusion bay"!

    10/10
  3. Anonymous sagt:

    Einstieg versaut! Das unerträgliche Synthie-Intro ist eines der ganz vergeigten Sorte, unterste Schublade, vorsintflutliche Atari-Effekte Marke Van Halen, 80er Jahre… Argh! – Aber ein gepflegtes Understatement bei der Vorstellung hat noch niemandem geschadet. So auch hier: "World Hate Center" scheißt allen in der ersten Minute gereiften Vorurteilen schonmal sowas von vor den Koffer, dass man über das "unvermeidliche Sundin-Artwork" (in der Tat!) plötzlich doch gern hinwegsieht. Denn alles andere an dieser CD ist alles andere als Klischee. Besonders bemerkenswert natürlich die Clean-Vocals: Ein Warrel-Dane-Alt, der nicht wie das Original mit seiner heißen Kartoffel unter der Kauleiste orientierungslos zum Instrumentalgewitter improvisiert, sondern tatsächliche Melodien beschreibt – und WAS für welche! Langeweile suche ich in den teils symphonischen Arragements mit der Lupe, was nicht heißen soll, dass sich über längere Zeit natürlich die ein oder andere Schwäche offenbart. Die Coverversion des dänischen Indie-Pop-Tracks "Music Nonstop" halte ich im übrigen für sehr unterhaltsam (wenn ich auch das Original nicht kenne). Mehr soll er vermutlich auch gar nicht sein. Der Rausschmeißer "Loneliness" wiederum ist wirklich der Übertrack und Mäusetitten-Garant mit einer einfachen, aber fantastisch souverän intonierten Hookline! – Im Ganzen stellt 11 Dreams wirklich eine gewisse Zäsur in der nun schon dezent welken Schweden-Mode dar. Zwar hat es einige Attribute des Melodic Death dankbar adaptiert, seinen Schwerpunkt jedoch weniger auf Brachiales denn auf hymnische Sangeskraft und Flächeninstrumentierung gelegt, die nur selten wirklich überladen wurde. Mit Death Metal jedenfalls hat diese Scheibe allenfalls noch marginal etwas am Hute. Insgesamt ein exzellentes Stück modernen, epischen, aber gänzlich kitschfreien Metals – dessen ich auch nach nunmehr 2 Monaten wirklich nicht überdrüssig werde.

    9/10