Das Release des finalen MELANCHOHOLICS-Albums wird von einer dunklen Wolke überschattet: Tragischerweise starb Gründungsmitglied Benedikt Bjarnason kurz nach der Fertigstellung des Albums im Jahre 2010 im jungen Alter von 32 Jahren an Krebs. Daraufhin legten die verbliebenden Mitglieder Lutz und Philip die Bandaktivitäten vorerst auf Eis. Als Abschied an ihren einstigen Kollegen erschien nun das dritte und letzte Studioalbum „Solar Café“.
Die hier vorliegenden Klangwelten lösen jedoch nicht wirklich die ganz großen Emotionen aus. Kann man aber niemandem verübeln, schließlich war der Low-Fidelity-Drone-Sound der MELANCHOHOLICS seit ihrer Gründung im Jahr 2001 stets als Untermalung für unterschiedlichste Visualisierungen bei Live-Shows, etwa für surrealistische Filmklassiker von Jean Cocteau, Jan Švankmajer oder Fritz Lang ausgelegt. So ganz ohne Show muss man die alleinstehende Platte hingegen als das akzeptieren, was sie ist: Noise. Geräusche.
Dementsprechend wird das Klangbild auch über 46 Minuten von tiefen, völlig verfilterten Keyboards, unkonventionell bedienten Gitarren und einer ordentlichen Portion Rauschen dominiert. Wo hier vermeintliche Willkür (no offense!) endet und wirkliches Konzept beginnt, das vermag niemand so genau zu sagen. Muss man aber eigentlich auch gar nicht wissen, denn der eigentlich Reiz der schwammigen Masse liegt viel mehr in der gelegentlichen, hauchdünnen Überlagerung durch Retrosynths und -orgeln, die dem Ganzen zumindest etwas Songcharakter geben, wozu interessanterweise auch die kunterbunte Störgeräusch-Ansammlung ihren Teil beizutragen weiß. Leider gelingt der naheliegende Schritt zu richtigen Glitch-Momenten nicht, denn immer wenn sich eine Wiederholung derart festigt, dass sich ein Rhythmus erahnen lassen könnte, wird sie dann auch schon vom nächsten Rauschschwall verdrängt. Irgendwie schade, mehr als einmal erwartet man, geradewegs in ULVERs „Silencing The Singing“ hineinzuschlittern.
Sicher: Nach mehreren Hördurchläufen hört man der Platte durchaus an, dass es sich keinesfalls um lieblos zusammengewürfelte Improvisationssammlungen handelt. Songs wie „Adam Dunkel“ können dank Kopfkino (oder dank Bahnfahrt-Fensterscheiben-Philosophie-für-Anfänger-Szenario) sicher ihre Wirkung entfalten und auch die vocoderartigen Sprachsamples in „Paranoia Lodge“ machen ihrem Songtitel alle Ehre. Nichtsdestotrotz wirkt das Gesamterlebnis aus gegebenen Gründen doch etwas unvollständig. Verdammt, das hätte man besser mal live gesehen. Das wird zwar dank des Nachfolgeprojekts MINUS1ONE auch in Zukunft noch möglich sein, für mich und die MELANCHOHOLICS gibt es allerdings leider keine Nachholmöglichkeit mehr.
In diesem Sinne: Ruhe in Frieden, Benedikt Bjarnason. Ruhe in Frieden, MELANCHOHOLICS.
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