Mekong Delta - Dances Of Death (And Other Walking Shadows)

Review

In den Achtzigern trat neben weiteren Vertretern des teutonischen Thrash eine merkwürdige Knüppelkapelle auf den Plan, deren Mitglieder sich hinter wenig sagenden Pseudonym-Namen verbargen, ihren progressiven, sperrigen Thrash-Sound so in Anonymität zelebrierten und sich auch sonst kaum in der Öffentlichkeit zu erkennen gaben: MEKONG DELTA. Angeführt von einem gewissen Björn Eklund veröffentlichte die Band unter anderem mit „The Music Of Erich Zann“ eines der ganz großen, aber auch sehr vertrackten Alben des teutonischen Thrash, das sich überdies mit einer interessanten Kurzgeschichte aus der Feder H. P. Lovecrafts befasst. Umso seltsamer, dass gefühlt kaum mehr hierüber gesprochen wird.

Jedenfalls änderte sich das mit der Zurückgezogenheit mit ihrem vierten Album, „Dances Of Death (And Other Walking Shadows)“. Hinter den Kulissen rotierte das Besetzungskarussell und ließ Doug Lee hinter das Mikrofon treten. Doch wichtiger noch schien die Scharade langsam als ausgeklügelter Marketinggag verschrien zu werden, sodass es schließlich kam, wie es kommen musste; es geht den Menschen schließlich wie dem Papst Emeritus. Und so ließen MEKONG DELTA schließlich die Katze aus dem Sack. Und aus Björn Eklund wurde Ralph Hubert, seines Zeichens nicht nur in der Klassik (besonders prominent der von Modest Mussorgski) versierter Kopf der Band, sondern auch Produzent von anderen großen Alben wie etwa „Into The Everflow„.

Zerebraler Thrash? „Dances Of Death“ zeigt: Das geht!

Doch nicht nur was die Band selbst angeht markiert „Dances Of Death (And Other Walking Shadows)“ einen Einschnitt. MEKONG DELTA haben ihren Thrash schon immer etwas progressiver gespielt, doch mit diesem Album halten sich beide Seiten der Medaille erstmals so richtig die Waage. Der Thrash bildet nach wie vor das Fundament, auf dem der Sound von MEKONG DELTA fußt. Schnelle, präzise Riffs und akzentuierte Rhythmen geben den Ton an, während Huberts Bass stets klar und deutlich hervorgearbeitet ist. Dennoch geht es hier weniger um rohe Brutalität, wie etwa bei den Kollegen von KREATOR.

Der Fokus liegt hier definitiv mehr auf komplexerem Songwriting, das weniger einer Knüppelgaudi und mehr einer Art Thrash-Sinfonie gleichkommt. Das meint in diesem Falle kein Extra-Gefiedel im Hintergrund. Stattdessen kommt der sinfonische Charakter tatsächlich durch die vielschichtigen Melodien zustande, die mit viel Bedacht komponiert worden sind. Und die werden nun dank thrashiger Kante mit gründlich Pfeffer durch die Boxen gejagt. Das Ganze wirkt erstaunlicherweise zu keinem Zeitpunkt kalt oder kalkuliert, was sicher auch an Doug Lees passioniertem Gesang liegt, der den Songs abermals Zunder verleiht. Doch ist es eben auch die Spielweise der Instrumentalfraktion und ihres Zusammenspiels selbst; beides hat hier einen enormen Einfluss auf die Lebhaftigkeit des Endproduktes.

MEKONG DELTA liefern ihr Meisterstück ab

Und gleich von Beginn an lassen sich Hubert und Co. nicht lumpen. Der Titeltrack eröffnet das Album und bringt gleich mal schlappe 19 Minuten auf die Uhr. Dieser ist als achtteilige Suite angelegt und muss als solche natürlich erst einmal verdaut werden. Eingeleitet wird der Song durch verträumte Klänge, die der Chef seiner akustischen Gitarre entlockt, ehe der Track Fahrt aufnimmt. Das Stück legt eine Menge Wendungen hin und wirkt dadurch natürlich extrem sperrig, schafft dank wiederkehrender Motive jedoch das Kunststück, stets wie eine Einheit zu klingen. Unterdessen wird hier eine Geschichte erzählt, die dem Grad an Bizarrheit der Musik in wenig nachsteht, sodass sich beides wunderbar zusammenfügt.

Schon für sich ist diese seitenfüllende Thrash-Extravaganza ein Kunstwerk, doch MEKONG DELTA schieben noch drei weitere (reguläre) Songs hinterher. „Transgressor“ wirft dabei den Blick deutlich nach vorne und klingt schon deutlich mehr nach der heutigen Version der Band, auch wenn der Thrash-Anteil weiterhin hoch ist. Dennoch sorgen sich verquer windende Riffs und Rhythmen für eine deutlich interessantere, zerebralere Note innerhalb des Sounds, der in der Hook nur kurz mal aufgebrochen wird. Etwas traditioneller verhält es sich da bei „True Believer“, das für hiesige Verhältnisse geradezu eingängig ausgefallen ist und mit einer deutlich einprägsameren Hook aufwartet – der ideale Song für den Einstieg in dieses Werk.

Ein Klassiker – mit echter Klassikadaption

Und als Sahnehäubchen gibt es die Adaption des Stückes „Night On A Bare Mountain“ von Modest Mussorgski obendrauf. Die hier dargebotene Version des ikonischen Stückes fängt das Feuer des Originals gekonnt in Metal ein, ohne auch nur eine Sekunde wie erzwungen zu klingen. Auch halten sich MEKONG DELTA von billigen Tricks wie (Konserven-)Orchester fern, was die hiesige Umsetzung umso leidenschaftlicher und zwingender klingen lässt. Und als Bonustrack gibt es noch eine weitere Adaption Mussorgskis, diesmal „The Gnome“ aus „Bilder einer Ausstellung“ obendrauf, die deutlich düsterer und bedrohlicher geraten ist.

Was bleibt sonst zu sagen zu diesem großen Werk, das für MEKONG DELTA auf mehreren Ebenen eine Wende erwirkt hat? Es hat praktisch die langsame Abkehr vom reinen Thrash bewirkt, den die Band schließlich nur noch als Grundzutat verwenden würde. Und auch wenn MEKONG DELTA ihren einzigartig zerebralen Sound nie wirklich ablegen würden, so bleibt „Dances Of Death (And Other Walking Shadows)“ das zwingendste seiner Art, das die Aggression des Thrash gekonnt mit der Intellektualität des Prog kombiniert hat.

04.07.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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