Megadeth - Rust In Peace

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Vor den Aufnahmen zu ihrem vierten Album „Rust In Peace“ standen bei MEGADETH einige unangenehme Veränderungen an. Dass die Band um Frontmann Dave Mustaine um Drogen einen Bogen gemacht habe, kann man nicht gerade behaupten. Bereits bei früheren Touren wurden deshalb Back-up-Musiker angeheuert, die immer dann einsprangen, wenn jemand mal wieder zugedröhnt war. Die „Monsters of Rock European Tour“ 1988 mussten die vier Musiker allerdings nach nur einem Termin abbrechen, da bei Dave Ellefson gar nichts mehr ging. Außerdem wurden Schlagzeuger Chuck Behler und Gitarrist Jeff Young vom rotgelockten Frontmann vor die Tür gesetzt – wegen fehlender Standfestigkeit (Behler) beziehungsweise einem Clash of Egos (Young). Da Mustaine zudem im volltrunkenen Zustand einen Unfall baute, wurde er zu einem Entzug verdonnert.

MEGADETH stocknüchtern

Das alles führte dazu, dass im April 1990 eine halb erneuerte und stocknüchterne Band ins Studio ging, die mit „Rust In Peace“ wohl den Bandklassiker schlechthin aufnehmen sollte. Neben Mustaine und Ellefson komplettierten Drummer Nick Menza und der erst einen Monat vor Aufnahmebeginn angeheuerte Leadgitarrist Marty Friedman das Line-up. Und gerade Letzterer sollte durch sein originelles Gitarrenspiel der Band noch einen besonderen Stempel aufdrücken. Insgesamt schafften es neun Titel auf das Album, von denen die ersten beiden als Singles ausgekoppelt werden.

Und „Rust In Peace“ beginnt mit einem Thrash-Metal-Kracher ersten Ranges: „Holy Wars… The Punishment Due“ startet mit atemlosem und bedrohlichem Riffing, zudem einem kranken Gitarrenlead aus dem Handgelenk von Dave Mustaine, bevor das Stück von einem orientalisch angehauchten Solo auf der Akustikgitarre unterbrochen wird, epischer und mit melodiösen Gitarrensoli (jeweils Friedman) garniert weiterläuft, um dann im Finale in ein absolutes Battle-Tech-Inferno auszulaufen.

Weiter geht es mit „Hangar 18“, das zunächst flüssig gerifft wie ein gewöhnlicher Thrash-Metal-Song klingt, dann aber wie ein progressives Instrumental weiterläuft, bei dem ein Gitarrensolo das nächste jagt. Das kannte man ja bereits von MEGADETH, hatten Mustaine & Co. beispielsweise das griffige „Wake Up Dead“ auf dem zweiten Album „Peace Sells …“ mit einem schier endlosen Instrumentalteil verbunden.

Ein Gitarrensolo jagt das nächste

Zackig beginnt „Take No Prisoners“ mit seinen Gangshouts, bei dem Dave Ellefson zur Ehre eines kurzen Bass-Solos kommt – wobei er eigentlich nur das extrem flotte Riffing in der Folge vorwegnimmt. Apropos Bass: „Dawn Patrol“ kommt ganz ohne Gitarren aus, wird nur von Bass und Schlagzeug getragen, worüber Dave Mustaine seine Lyrics über Umweltzerstörung und den Treibhauseffekt mit spöttischer Stimme legt. Und noch einmal Bass: „Poison Was The Cure“ beginnt mit einem fiebrigen Bassriff, das die Gitarren schließlich aufnehmen, um sich zusammen mit dem Schlagzeug und dem rastlosen Gesang fast zu überschlagen. Das Stück weckt Erinnerungen an „502“ vom „So Far, So Good… So What!“-Album, kommt diesmal aber ohne nachgestellten Autounfall aus. Dave Mustaine wurde wegen seines Crashs ja gerade zu einem Entzug verdonnert, das wäre vermutlich nicht so gut angekommen.

Eher traditionellen MEGADETH-Stoff bietet „Five Magics“, das zunächst verhalten beginnt und Spannung aufbaut, um dann in typischer Manier ein Wechselspiel zwischen Textzeile und Solo zu liefern. Hier zeigt sich, dass Marty Friedman nicht nur ein wieselflinker Gitarrist ist, sondern auch mit seinem Spiel einige ungewöhnliche Skalen und Kniffe einbringt. Dahingegen wirken „Lucretia“ und „Tornado Of Souls“ wie die Zukunft von MEGADETH, wie wir sie später kennenlernen sollten: „Lucretia“ durch sein positives Riffing und seine aufmunternden „Hey“-Gangshouts – wer möchte da nicht die Faust nach oben recken und mitgrölen? Und „Tornado Of Souls“ ist von der Struktur her sehr viel eingängiger als die restlichen Songs – was ihm einiges an Hitpotential verleiht.

… den Song nicht unnötig vereinfachen

Abgerundet wird die Scheibe vom abschließenden Titeltrack „Rust In Peace – Polaris“, das von Drumfills eingeleitet wird und sonst von seinem zackigeren Riffing lebt. Schön ist, dass der Song einem wirklich traditionellen Aufbau mit Strophe, Bridge, Refrain und Break folgt, er dadurch aber keineswegs berechenbar wirkt, sondern vielmehr gefährlich und im richtigen Moment unkontrolliert. Und er greift das MEGADETH-Prinzip auf, einen Song nicht unnötig zu vereinfachen, wenn noch ein Riff oder ein Solo gespielt werden können. Etwas, wovon MEGADETH ja auf den späteren Alben nicht zu knapp abgerückt sind.

Nach dem mehr als ordentlichen Debüt „Killing Is My Business… And Business Is Good!“ und den hervorragenden Vorgängeralben „Peace Sells… But Who’s Buying?“ und „So Far, So Good… So What!“ komplettieren MEGADETH mit „Rust In Peace“ ihren Lauf, ja setzen ihm sogar die Krone auf. Denn anders als bei den Alben zuvor wirkt hier das Songwriting noch runder: Neun Songs mit eigenem Charakter, mit Hooks, mit Soli und einem noch weitgehend ungetrübt bedrohlichen Thrash-Metal-Flair. Nicht zu vergessen das geniale Ed Repka-Artwork, bei dem die damals Mächtigen der Welt mit Vic Rattlehead vereint abgebildet werden. Außerdem wirkt die Produktion diesmal kompletter als auf den Vorgängeralben. Das wurde wahrscheinlich allein deshalb erreicht, weil sich Dave Mustaine mal nicht noch während der Aufnahmen mit dem Produzenten überworfen hat, sondern Mike Clink bis zum Ende gewähren ließ.

„Rust In Peace“ ist rund

Allerdings gilt das auch für das Folgealbum „Countdown To Extinction“, das zum größten Erfolg der Band werden sollte. Der Grund: Produzent Max Norman bestärkte Dave Mustaine darin, kürzere, kompaktere und radiofreundlichere Songs zu schreiben, und die „Symphony Of Destruction“ rotierte nicht ohne Grund im Musikfernsehen und im Radio. Ob Album Nummer 5 den Vorgänger „Rust In Peace“ allerdings auch qualitativ in die Tasche steckt, darf gerne bezweifelt werden (ist allerdings auch nicht Thema dieser Folge der „Blast From The Past“-Klassikerreihe). Und der Rezensent wiederum denkt wehmütig an die anschließende Tour zurück, die MEGADETH im Package mit ALICE IN CHAINS und THE ALMIGHTY nach Deutschland bringen sollte. Früher waren einige Dinge eben doch gut.

P.S.: Solltet Ihr „Rust In Peace“ aus welchen Gründen auch immer nicht in Eurem Plattenschrank stehen haben, jetzt aber mit dem richtigen Gedanken spielen, diese Lücke zu füllen: Vermeidet unbedingt die „Remasterte Version“ von 2004. Dave Mustaine höchstselbst hat hier Hand angelegt und auch den Mix verändert, wodurch die Gangshouts viel weniger bedrohlich wirken und den Gitarren (und dem Sound insgesamt) einiges an Härte genommen wird.

14.12.2022

- Dreaming in Red -

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18 Kommentare zu Megadeth - Rust In Peace

  1. Nici67 sagt:

    Das Non Plus Ultra von Megadeth und neben Ride the Lightning für mich auch das beste Thrash-Album! Wer hier unter 8 Punkten geben würde, hat keine Ahnung von Metal!

    10/10
  2. sardine sagt:

    Na die Vorlage muss ich direkt aufgreifen und direkt mal meine ganz persönliche subjektive Meinung ablassen und eben meiner Wertung mit 6Pkt. hier lassen.
    Ich persönlich finde und fand noch nie Zugang zu Megadeth, warum dies auch immer so ist, fand die schon immer irgendwie zu „schleppend“ für mich kommt da kein Fluss beim Hören zustande, das ist alles irgendwie zu „verkropft“ und nein, das schreckt mich nicht ab denn Meshuggah oder Vildhjarta kann ich problemlos hören und finde das stark. Aber Megadeth holt mich einfach so gar nicht ab mit keinem Album der Bandhistory, es gibt einzelne Songs die cool sind und auch hier und da Momente die aufhorchen lassen aber eben auf Länge ist mir das zu „flach“ zu „eintönig“. Ich erkenne aber trotzdem die musikalischen Fähigkeiten und die Arrangements und diese kann man durchaus würdigen, darum auch 6 Pkt und nicht nur 4 oder 5.

    6/10
  3. doktor von pain sagt:

    Geht mir nicht genau so, aber ähnlich. Zwar habe ich aus früheren Zeiten ein paar Megadeth-Alben im Schrank stehen (darunter auch „Rust in Peace“), doch so richtig war diese Band nie was für mich. Dann und wann mal ein Song von denen ist okay, doch ich habe mir schon seit mindestens 10 Jahren kein ganzes Megadeth-Album mehr am Stück angehört.

  4. nili68 sagt:

    Ich finde die schon richtig gut, so auch dieses Album, aber es gibt einfach (zu) viel Musik. Da „vergisst“ man so manches Album/Band einfach, wenn’s nicht extraordinaire ist. Da reicht manchmal nicht mal sehr gut, um das zu verhindern.

    8/10
  5. dan360 sagt:

    War auch nie der größte Megadeth-Fan, denke das hat ganz stark was mit dem „Gesang“ von Mustaine zu tun, aber für diese Scheibe kann ich auch nur die zehn geben. Allein schon aufgrund der göttlichen Gitarrenarbeit, wäre froh wenn ich nur einen Song fehlerfrei mitzocken könnte…x)

    10/10
  6. Nici67 sagt:

    @sardine Allein schon für die Gitarren und Schlagzeugarbeit müsste es mindestens 8 Punkte geben…..

  7. Thanus sagt:

    Für mich mit „Countdown to Extinction“ die stärkste von Megadeth, aber über 7 kommt man da beim besten Willen nicht hinaus, wenn 10 die Höchstzahl ist. Bewertet man das Speed-Metal-Referenzwerk „Master of Puppets“ mit 10, schaut’s für alle anderen Alben traurig aus und eine 7 ist schon mehr als wohlwollend. Den relativ großen kommerziellen Erfolg von Megadeth konnte ich mir nie erklären.

  8. nili68 sagt:

    Ich kann mir das auch immer bei allem, was eine andere Meinung hat als ich, nicht erklären. Persönlicher Geschmack zählt nicht. Frechheit eigentlich.

  9. TrVeManSchoh sagt:

    Die Rezi spricht mir aus der Seele. Mein persönlicher Metal-Klassiker. Eines der wenigen durchweg perfekten Alben. Begeistert mich auch heute noch rundum. Kein Album hat mich so geprägt (als Musiker) wie dieses. Eine vollkommen objektive, kaum sentimentale 10 von 10. Eine der ganz wenigen. Pathos!!1!1elf!!

    10/10
  10. sardine sagt:

    @Nici67
    Ich sag ja dass ich die Qualität durchaus erkenne, aber auch perfekte Gitarren oder Schlagzeugarbeit machen nicht zwangsläufig super Mucke.
    Es gibt unzählige Helden an der Gitarre (Jimi Hendrix, Eric Clapton, ….) aber dennoch holt mich deren Musik nicht ab und genau so ist es bei mir mit Megadeth. Obwohl die in einem Genre aktiv sind dass mir grundsätzlich natürlich besser gefällt als Blues(Rock). Wie ich schrieb, es entsteht bei mir kein „Fow“ beim hören und das ist eben ein Problem, wenn ich mich zwingen muss an dem Album dran zu bleiben um die kleinen Ideen und Feinheiten zu finden dann ist es eben nicht mein Ding.
    Daher ja auch meine Aussage dass das rein subjektiv meine Meinung ist und eben nicht meinem Geschmack entspricht.

  11. Thanus sagt:

    Nicht nur dass Mustaine auf den ersten Alben nur selten einem klassischen Songaufbau folgt, was nicht schlecht sein muss, fehlt den meisten Songs auch die Harmonie. Da gibt es immer wieder einzelne herausragende Stellen, die aber nicht zueinander passen wollen. Seine modernen Alben weisen zwar mehr Harmonie auf, sind aber musikalisch völlig uninteressant. Dieser Spagat ist ihm auf „Rust“ und „Countdown“ und mit Abstrichen auf „Youthanasia“ noch am besten gelungen.

  12. Nici67 sagt:

    @sarine Was wäre denn ein Album, wo du die 10/10 Wertung geben würdest?

  13. sardine sagt:

    Im Thrash Metal der ‚Ride the lightning‘ zum Beispiel.

  14. motley_gue sagt:

    @Thanus: interessant, dass Du die Risk nennst. Ich mag die eigentlich auch sehr gern. Fast noch bessere Songs sind mMn aber auf der Crypric Writings – auch wenn das kaum jemand so sieht, für mich aber eine der besten Megadef-Scheiben. Das ist ihnen danach eigentlich nur mehr auf Dystopia halbwegs und auf Endgame in Ansätzen gelungen.

  15. Sportsfreund sagt:

    Ganz gleich, wie Megadeth klingen. Leider ist diese Band untrennbar mit der Person Dave verbunden. Genau da fängt das Problem an. Wieso hat noch keiner geschrieben, dass er einfach ein dummer, ignoranter Drecksack ist? Und da ich ungern Alöcher unterstütze, höre ich mir die Scheiße nicht an. Das gleiche gilt auch für Iced Earth. Gehabt euch Wohl.

  16. Nici67 sagt:

    @Sardine Ha, Ride the Lightning ist für mich auch eine 10/10, sogar mein Alltime Favorite Album!

  17. motley_gue sagt:

    @Sportsfreund: Musiker sind grundsätzlich ganz normale Menschen, die aber mehr Talent für / Lust auf Musik machen haben. Ansonsten sind bei 1000 Musikern statistisch ziemlich gleich viele Deppen dabei wie in der restlichen Bevölkerung. Ob man die Sachen von Menschen hören will, deren Meinung man nicht teilt ist eine individuelle private Entscheidung. Bei einem Koch mach ich es wahrscheinlich nicht davon abhängig, ob ich sein Schnitzel esse, weil ich kaum persönlichen Kontakt habe. Zu einem mir unsympathischen Arzt, Frisör etc werd ich aber eher nicht gehen.

    Dass Dave sicher ein sehr spezieller Typ ist und einen entsprechenden Verbrauch an Kollegen hat, ist sicher. Das war Chuck aber offensichtlich auch. Wenn das ein Problem ist, werden aber recht schnell kaum Bands übrig bleiben.
    Eher schon wäre zu überlegen, ob man bei Lambesis, Vikernes, Schaffer, Anselmo, etc seine Grenze zieht.
    Für mich ist da sicher eher Schluss, als bei einem Egozentriker, der ansonsten aber keinem wehtut.

  18. Sportsfreund sagt:

    Du hast natürlich recht, wenn du schreibst, dass er niemanden etwas tut. Mein Problem mit Dave ist eben, dass er noch nie was gemacht hat, um irgendwie sympathisch zu wirken. Ich glaube, ich habe noch nie mitbekommen, dass überhaupt jemand etwas Positives über Dave gesagt hat. Das ist schon bezeichnend.
    Anselmo hat sich nach seinen Verfehlungen immerhin halbherzig entschuldigt. Macht die Sache aber nicht besser.
    Zu Vikernes muss man nichts mehr sagen. Da weiß man eh, dass er sich zwei Sätze später wieder widerspricht.
    Bei Slayer muss ich auch immer ausblenden, dass Curry King ein Spinner und Drecksack ist. 🤷‍♀️