Mayhem - Ordo Ad Chao

Review

„None above. None equal.“ Eine dicke Fresse haben MAYHEM, und das nicht umsonst: nach 20 Jahren Metal ein Album wie „Ordo Ad Chao“ aufzunehmen ist das Mutigste, Schrägste und Bekloppteste, das man tun kann. Zum einen deshalb, weil MAYHEM mit „Chimera“ gerade anfingen, sich stilistisch ein wenig fest zu legen und auch allmählich bei einem breiteren Publikum anzukommen. Und was passiert dann? Die Truppe gräbt sich irgendwo im Wald ein, konsumiert einen Überseecontainer voller komischer Drogen und nimmt irgendwelchen Irrsinn auf. So jedenfalls klingt „Ordo Ad Chao“ – ein einziger Wust aus undefinierbaren Riffs, undurchdringlicher Dunkelheit und unterschwelliger Gewalt. Keine Wiedererkennbarkeit, kein einheitliches Tempo, keine Gnade mit den auf sich wiederholende Muster getrimmten Hirnwindungen. Nur Dreck, Rotz und Blut, das Schlimmste, was 25 Jahre Black Metal aufzubieten haben.

Der Vergleich mit dem Minialbum „Wolf’s Lair Abyss“, das ich sowohl von der Brutalität als auch von der Stimmung her sogar für besser als das legendäre „De Mysteriis Dom Sathanas“ halte, ist da relativ naheliegend, trifft aber den Nagel nicht auf den Kopf. Was sich auf diesem Album verfolgen lässt ist der finale Schritt in den totalen Black Metal, in die Strukturlosigkeit, in den Abschied von Primitivität, purer Geschwindigkeit, Melodiedenken und letztlich auch der perfekte Nonkonformismus – selbst im Vergleich zu Bands wie SHINING, die als Inbegriff der vertonten Negativität gelten, sind MAYHEM auf diesem Album ein einziger brodelnder Abgrund, ein erbarmungsloser Strudel, eine schwarze Welle, die einem über den Ohren zusammen schlägt, der Psychoterror, der Dich aus der Anlage an die Kehle springt. Völlig unvergleichbar noch dazu.

Das alles schaffen sie ohne die üblichen Zutaten wie Blast Beats, nordische Melodien und eigentlich alles, was man von anderen Bands kennt. Statt dessen gibt’s rituelle Toms, wahnwitzige Drumpatterns, die sich kein Mensch merken kann, in den Ecken lauernde und gnadenlos zubeißende Echogitarren, ein alles verschlingender Bass, und das auf bis zu zehnminütige Songs ausgedehnt (Dreh- und Angelpunkt: „Illuminate Eliminate“ – hier ist tatsächlich alles „lost and empty“, ein einziges tonales Ödland). Die Produktion von „Ordo Ad Chao“ ist roh und tut weh, aber auf völlig eigene Art und Weise. Sicher ist Reverb in Musikerkreisen ein beliebter Effekt, so exzessiv wie hier hat ihn allerdings noch kaum eine Band eingesetzt – das Album ist im Grunde ein einziger Widerhall, ein Nachschwingen von Undergroundaufnahmen aus dem letzten Jahrtausend und die objektiv sicher schlechteste Produktion aller MAYHEM-Veröffentlichungen der letzten zehn Jahre.
Zu dem Eindruck, ein viel älteres Album zu hören, trägt auch der nach 15 Jahren zurückgekehrte Attila Csihar bei. Natürlich kann der Mann nicht singen, sicherlich hat er eine miese Stimme – aber dafür schont er sie nicht. Die Vokalakrobatik auf diesem Album verdient sich diese Bezeichnung durch eine unglaublich abgefuckt vorgetragene Bandbreite von Ausdrücken zwischen schrillstem Geschrei und dämonischer Sprechstimme, zwischen Geflüster, das einem die Nackenhaare aufstellt und abgründigem Grunzen. Was der Mann abliefert, prägt „Ordo Ad Chao“, wie es sein Vorgänger Maniac leider nie wirklich geschafft hat.

Es hört sich verdächtig danach an, als würden MAYHEM sich gerade komplett selbst umkrempeln, auf ihre 20 Jahre Bandgeschichte scheißen, wie sie schon immer auf alles geschissen haben, und erst jetzt zu absoluter Form auflaufen. Objektiv betrachtet und an jedem normal pervertierten Musikgeschmack gemessen ist „Ordo Ad Chao“ offen gesagt ein totales Scheißalbum, ein einziges Stück Ideenschrott – aber das ist es natürlich nicht, das kann es nicht sein, denn sowas denkt man sich nicht mal gerade zwischen zwei Spaziergängen aus, und sowas kann man auch nicht spielen, wenn man nicht den Meistergrad schon lange mit sich herumträgt. Das macht die Beurteilung in Punkten sehr schwer.
Ich würde stattdessen lieber sagen: das Album ist ein Stück Kunst, zwar etwa so kunstvoll wie ein ausgeweidetes Vieh, aber immerhin das erste wirklich kunstvolle Werk, das MAYHEM aufgenommen haben. Das kann man schätzen oder man kann es lassen – auf jeden Fall ist diese Band nach „Ordo Ad Chao“ nicht mehr das, was sie vorher war. Ganz bestimmt wäre Euronymous stolz auf die Wege, die diese Wahnsinnigen gehen, auch wenn er da vermutlich relativ alleine ist.

25.04.2007
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