Mayhem - Daemon

Review

Wer MAYHEM sind, sollte sich mittlerweile auch unter den jüngeren Semestern herumgesprochen haben. Die Band ist ein essentieller Bestandteil der Metal-Geschichte, Dreh- und Angelpunkt eines ihrer dunkleren und auch blutigeren Kapitel. Im Falle einer Bildungslücke schafft beispielsweise der Film „Lords Of Chaos“ Abhilfe, oder aber die Lektüre von Herrn Møllers ausführlicher Analyse zum legendären Full-Length-Debüt der Norweger, sodass wir uns hier guten Gewissens auf das Hier und Jetzt konzentrieren können, in dem der „Daemon“ im Begriff ist, einzuschlagen.

Der nächste, musikalische Schritt für MAYHEM?

Dieser folgt schlappe fünf Jahre auf „Esoteric Warfare“, was angesichts des Veröffentlichungsrhythmus‘ der Band jedoch normale, verträgliche Härte darstellt. Immerhin ist das hier eine Band, die stets nach einem Weg gesucht hat, um die eigenen Grenzen ohne Rücksicht auf Verluste auszuloten – und dabei zugegebenermaßen gerne mal über das Ziel hinaus geschossen ist. Dass sich die Geister an gewagten Experimenten wie „Grand Declaration Of War“ oder „Ordo Ad Chao“ scheiden würden, kommt dabei also praktisch mit Ansage. Andererseits kann man der Band so nicht den Vorwurf machen, sich nur in mittelmäßigen Selbstzitaten zu verwurschteln.

Und so wundert es auch wenig, dass das in unveränderter „Esoteric Warfare“-Besetzung aufgenommene „Daemon“ wieder eine etwas andere Beschaffenheit aufweist als die vorangegangenen Werke. Der Unterschied fällt direkt beim ersten Hör auf: „Daemon“ ist vergleichsweise klar und sauber produziert. Dennoch lassen Ghuls und Telochs teuflisch harmonierende Riffs einen infernalischen Odem durch die Songs wehen, der den Hörer so gar nicht willkommen heißen möchte. Necrobutcher injiziert seine Basslinien oder lässt den Tieftöner gerne auch mal einsam und bedrohlich knurren, während Hellhammers präzises, martialisches Getrommel die vorherrschende Aggressivität weiter anfeuert, ohne den Sound kaputt zu knüppeln.

Das Feuer brennt weiter

Sprich: Die Herren verlassen sich auf Altbewährtes, verleihen diesem jedoch dank ihrer Kompromisslosigkeit den nötigen Zwang. Das zeigt sich direkt beim Opener, der den Hörer mit kalter Raserei und infernalischen Melodien in Empfang nimmt, ach was: ihn praktisch damit überrollt. Keine Zeit, das Gehörte zu verdauen: Die Band hat den Höllenofen angeschmissen und wird nicht müde, Kohlen in den nimmersatten Kessel nachzulegen. Das Feuer wird durch die inbrünstige Gesangsdarbietung von Attila Csihar noch weiter angefacht, der zwischen Growls, klarem, beinahe manisch beschwörendem Klargesang und seinem markantem Gekrächze intuitiv wechselt.

MAYHEM machen von der ersten Sekunde klar, dass der „Daemon“ nicht gekommen ist, um sich Freunde zu machen geschweige denn Gefangene zu nehmen. Und dieser Eindruck hält sich über die gesamte Länge des Albums. Die Band schlägt ihre Zähne dank des vielschichtigen Songwritings tief in das Fleisch des Hörers hinein, beißt sich richtig fest, um langfristig hängen zu bleiben. Doch selbst in den eingängigeren Momenten der Platte lassen die Herren nicht locker. Der Sound, der einem hier um die Ohren getrümmert wird, lässt die lebensfeindliche Finsternis in allen Stimmungen und Intensitäten durchsickern. Da bleibt kein Platz für erbauliche Melodien, geschweige denn für modernes Süßholzgeraspel.

Der Furor des „Daemon“

Und wie oben erwähnt legt die Band praktisch durchweg die Kohlen nach, wobei für Abwechslung natürlich gesorgt ist: Beim dem Opener folgenden Doppel bestehend aus „Agenda Ignis“ und „Bad Blood“ zum Beispiel zieht die Band das rhythmische Gerüst etwas straffer und steckt die Riffs zugleich in ein deutlich Groove-orientierteres Korsett, was die Songs wiederum zugänglicher macht. Gleichzeitig kommen beide Tracks so mit mehr Nachdruck daher und verfügen allein dadurch über den nötigen Zwang, um sich auch langfristig in den Hirnwindungen des Hörers festzukrallen.

„Malum“ wird auch mit Druck dargeboten, erweist sich aber als deutlich stimmungsvoller. In den trägeren Passagen brodelt die Dunkelheit vor sich hin, sie trieft förmlich aus Csihars gequältem Gesang und den ominösen Harmonien heraus und macht die rasenden Passagen damit umso wuchtiger. Beinahe klassische Black-Metal-Finsternis zelebriert „Worthless Abominations Destroyed“, ebenso wie das folgende, bedrohlich stampfende „Daemon Spawn“, in dessen treibenderen Passagen Hellhammer die Kriegstrommeln besonders eindrucksvoll rührt. „Invoke The Oath“ ist dann schließlich genau der imposante Rausschmeißer, den diese Platte auch verdient hat.

MAYHEM und keine Kompromisse

Kurzum: MAYHEM beschwören wieder einen Höllensound herauf. „Daemon“ ist intonierte Schwärze, modern produziert und doch sperrig und unbeugsam. Atmosphärischer, süßlicher Schwarzwurzeltee geht definitiv anders. Das hier ist bitterer Kaffee, der so schwarz ist, dass der Löffel drin stehen bleibt. Nicht jedermanns Sache. Aber die Hölle ist eben kein Zuckerschlecken. Und der „Daemon“ ist definitiv nicht dein Kumpel. Aber das soll er auch nicht sein. Das Album begeistert mit abwechslungsreichen Songs und zieht den bereitwilligen Hörer hinab in die Dunkelheit. Wieder und immer wieder.

24.10.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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