Ich liebe diese unvorhersehbaren Zufälle, die mich mit Musik bekanntmachen, mit der ich wohl auf „normalem“ Wege nie in Kontakt getreten wäre. Aber am Ziel endlos vernetzter Pfade, auf denen man sich nachts entlang klicken kann, steht manchmal eine mehr als angenehme Überraschung. Dieses Mal waren es die zwei Griechinnen Marianthi und Sophie von MARSHEAUX. Ich weiß schon gar nicht mehr genau, wie ich überhaupt an sie gelangt war, ich weiß nur, dass mich ihre Musik auf einen Schlag vereinnahmte, faszinierte, mir Adrenalinschübe verpasste und mich in heller Begeisterung aufgehen ließ.
Unter dem Banner „Electro Pop“ findet sich ja heutzutage einiges, mitunter auch richtig nervender Schrott, der im Radio hoch und runterläuft und mit der eigentlichen Idee hinter diesem Genre nichts mehr zu tun hat. Gleiches trifft auch auf das Label „Synth Pop“ zu, mit dem man teilweise einfach nur das bezeichnet, was damals in den 80er Jahren einfach „Popmusik“ war und heute im Retro-Trend wieder ziemlich angesagt zu sein scheint. Den Zauber dieser elektronisch bunt glitzernden Ära fangen allerdings nur die wenigstens wirklich authentisch ein.
MARSHEAUX gelingt das auf ihrem neuen Album „Peek A Boo“ mehr als deutlich, sogar noch besser als auf ihrem Debüt „e-bay Queen“, welches vor drei Jahren erschienen ist. War „e-bay Queen“ schon ein Kracher, der an einstige Großtaten von Bands wie HUMAN LEAGUE erinnerte, überzeugt das neue Album auf voller Länge.
MARSHEAUX arbeiten mit den Werkzeugen der Meister und Legenden: Roland, Yamaha, Korg, Moog, AKAI – allein bei diesen Namen läuft einem schon das Wasser im Mund zusammen – und erzeugen genau die magischen Sounds, die in den 70ern ihren unaufhaltsamen Siegeszug antraten und bis heute eine zeitlose Qualität besitzen. Diese Drummachines und Synthesizer werden einfach nie obsolet sein und verbinden musikalische Generationen. Deshalb klingt „Peek A Boo“ so herrlich Retro aber auch modern und genreübergreifend. Zu den Vorbildern der Griechinnen zählen neben den bereits erwähnten HUMAN LEAGUE auch SOFT CELL, DEPECHE MODE oder ERASURE, vermutlich auch VISAGE; und auf der moderneren Habenseite würde ich z.B. CLIENT, LADYTRON, GOLDFRAPP und FISHERSPOONER verbuchen, dann noch DMX KREW, leicht entfernt aber auch Bands wie SAINT ETIENNE oder ARLING & CAMERON. Ich könnte diese Liste mühelos fortführen, jeder Song sprüht nur so vor Déjà-vu-Erlebnissen, und je tiefer man bereits in der Materie steckt, umso vertrauter wirkt die einzigartige Atmosphäre des Albums, umso wohler fühlt man sich bei MARSHEAUXs Musik.
Vor allem beim Songwriting haben sie meiner Ansicht nach noch mal eine ordentliche Portion Kreativität draufgelegt: Nicht unbedingt vorhersehbare und abwechslungsreiche Strukturen mit überraschenden Momenten, eingängigen Refrains; zwei wunderbare, fast effektfreie Stimmen und eine erstklassige Produktion zeichnen dieses Album aus. Es wäre schon fast eine Beleidigung, würde man hier von „Vintage Sounds“ sprechen – die ganzen Hardwareklassiker sind hier kein Effektmittel zum Zweck, sie sind das Medium, nur durch sie entfaltet die Musik ihre faszinierende Wirkung. Aber nicht nur indirekt zollen MARSHEAUX den kreativen Vätern Tribut: Mit „Promise“ von WHEN IN ROME und „Regret“ von NEW ORDER zeigen sie ihre Verbundenheit zu den Zeiten, in denen diese Art von Musik bereits unaufhaltsam war.
13 Songs für fast jede Gelegenheit, hörbar zu jeder Tages- und Nachtzeit, am besten laut und in fröhlicher, tanzwilliger Gesellschaft.
Mein persönliches Electro-Synth-Pop Highlight des Jahres, gegen das die meisten Genrevertreter nicht anstinken können, und welches vor allem deshalb angenehm auffällt, weil sich auch die ganze IDM und Braindance-Fraktion darauf stürzen kann. Wer also auch bei solchen Top-Adressen wie Warp und RePhLeX warme Ohren bekommt, sollte sich als nächstes Undo Records und MARSHEAUX hinter selbige schreiben.
„Peek A Boo“ erscheint als Erstauflage im – für Undo Records typischen – luxuriös aufgemachten Digipak, welches das Kunstwerk liebevoll abrundet.
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