Marilyn Manson - The Pale Emperor

Review

Tempus fugit. Ich habe nicht mitbekommen, dass seit dem letzten von mir gehörten MANSON-Album („The Golden Age Of Grotesque“) nicht nur zwölf Jahre, sondern auch drei ganze Studioalben vorbeigezogen sind. Hier und da tauchte der ehemalige Shockrocker auf dem Aufmerksamkeitsradar ja doch auf, aber dann eher durch Gastauftritte von Johnny Depp und Ninja von DIE ANTWOORD auf seinen Gigs oder seinen eigenen in amerikanischen Fernsehserien. Musikalisch war das Interesse an dem zahnlos gewordenen Wolf eher gering. Entsprechend ahnungslos der erste Durchlauf von „The Pale Emperor“. Obwohl der coole Name schon neugierig gemacht hat. Zu Recht.

 

Schon bei den ersten Tönen von ‚Killing Strangers‘ die Überraschung. Der stampfige, von mit viel Zerre versehenen Bass angetriebene Beat, die bluesigen clean-Gitarren – so könnte auch ein Tom Waits Song anfangen. Im Refrain setzen dann die dezenten signature-Melodien ein, die zwar 100% MARILYN MANSON sind, jedoch selten so geschmackvoll und songdienlich im Hintergrund blieben. Und dies ist die absolute neue Stärke des Imperators – Blues und Minimalismus statt Glam und Bombast. Der einzige Song, der an die alten Düsterdisco-Nummern erinnert ist wohl ‚Deep Six‘. Und auch dieser ist ein ziemlicher Ohrwurm. Ansonsten sieht man förmlich den abgeblätterten Lack des ehemaligen Shockpops. Die leeren Halogenlichter Hollywoods sieht man höchstens in Form von sparsam eingesetzten Industrial-Elementen im Rückspiegel aufleuchten, während man ein dreckiges Bluestape in den Recorder schiebt und Richtung sumpfiges Ohio Gas gibt. ‚Third Day of a Seven Day Binge‘ atmet die düstere Redneck-Landschaft, es schwitzt die Mentalität aus jeder Pore seiner fast distortionfreien Riffs. Genau wie ‚The Mephistopheles of Los Angeles‘ hätte der Song perfekt auf den „True Detective“ Soundtrack gepasst (THE HANDSOME FAMILY lässt grüßen). Die vertonten dreckigen Geheimnisse der Unterschicht der Südstaatler – romantisch und abstoßend.

 

Mit vielem habe ich seit meiner MANSON-Abstinenz gerechnet. Nur nicht mit „The Pale Emperor“. So intensiv und durchdringend wie auf ‚Warship My Wreck‘ habe ich den Mann kaum zuvor gehört. Mystische, reduzierte Klänge, die gewohnt markige Stimme – selten hat jemand für den Blues so hörbar seine Seele verkauft. Das Album atmet Bedrohlichkeit, die gerade in der Subtilität der Songs steckt. Der Puppenspieler muss nicht mehr schreien wie auf „Antichrist Superstar“. Seine nackte Stimme ist genug, um für Unbehagen zu sorgen. Manchmal kommen längst verschollen geglaubte doch aus den Tiefen der Sümpfe hervor, um einen mit ihrem eiskalten Griff zu packen und nicht mehr loszulassen. „At least I know – wherever I go, I have the Devil beneath my feet.

 

28.01.2015
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