MARDUK waren es schon immer gewohnt, bei ihren Gigs keine Gefangenen zu machen. Das war 1996 im Rahmen ihrer „Heaven Shall Burn“-Tour nicht anders als heute, zwölf Jahre und unzählige Veröffentlichungen später.
Die Wiederveröffentlichung von „Live In Germania“, den Mitschnitten der deutschen Feldzüge der damaligen Vernichtungstour durch Europa, ist vollständig überarbeitet, und das mehr als erkennbar nicht nur durch den modifizierten Titel. Zudem ist die Performance der Band tighter als es ein Großteil heutiger Bands auf Studioaufnahmen ist, das zeitgemäße Mastering entlockt der bereits angestaubten Liveaufnahme darüber hinaus auch noch die letzten Prozente an Black-Metal-Feeling.
Fredrik Andersson am Drumkit, meines Erachtens einer der damals schnellsten Black-Metal-Drummer auf dem Globus, prügelt sich ohne lange Pausen für ohnehin unnötige Ansagen fast eine Stunde lang durch ein brachiales Set voller erbarmungsloser Highspeed-Songs – und das ohne merkliche Fehler oder Schwächen. Er treibt damit seine Saitenfraktion unerbittlich vor sich her und spornt nicht nur den damaligen Bassisten B. War zu (für Black-Metal-Verhältnisse) Bass-Höchstleistungen an, sondern sorgt auch dafür, dass Morgan Hakansson und Peter Tägtgren (damals an der 2. Sessiongitarre!) an ihren Äxten genug zu tun haben.
Legion, den ich nie für einen besonders charismatischen oder herausragenden Sänger gehalten habe, setzt sich zwar mit seiner soliden Performance kein Denkmal, ist aber (zumindest bei mir) mit etwas anderem zur Legende geworden: als er, nach bereits 50 Minuten Publikumstortur, den vorletzten und für ihn namensgebenden Song „Legion“ ankündigt, entlockt er seinen gequälten Stimmbändern den einzigartigen Satz: „Come on Deutschland – alles – füüür – Saaaataaaan!“. Mehr Black Metal geht vermutlich nicht – auch wenn er sich mit seiner aus dem „Exorzisten“ geklauten Ansage zu „The Black…“ selbst ganz dicht auf den Versen ist („let Jesus fuck youuuuuu… LET JESUS FUCK YOUUUU! – orletjesusbefuckedbytheblackgoatofthewoodswithathousandyoung!“. Sowas nennt man „Kult“.
Wer die Setlist des Livealbums nicht kennt, dem sei gesagt, dass fast alle wichtigen Klassiker der ersten fünf MARDUK-Jahre aufgeboten werden: neben den Überschallsongs „Beyond The Grace Of God“, „Sulphur Souls“, dem Smashhit „Darkness It Shall Be“ oder „Infernal Eternal“ enthält die Aufnahme auch die vielleicht beste dokumentierte Version von „Dracul Va Domni“, einem für MARDUK untypischen und recht langsamen Stück. Insgesamt ist die Aufnahme ein Dutzend Songs und ziemlich genau eine Stunde lang.
Auch wenn „Germania“ als eines der kompromisslosesten Livealben der Black-Metal-Geschichte selbst schon den Kauf wert ist, enthält die Wiederveröffentlichung (neben der soundtechnischen Überarbeitung) noch weitere Anreize bereit, den Geldbeutel zu zücken. Zum einen ist das ein überarbeitetes, schönes aber wenig spektakuläres Layout. Zum anderen liegt dem Album eine DVD bei, die MARDUK bei ihrem ersten Gig außerhalb Schwedens, im Mai 1994 in Oslo, zeigt. Die Aufnahme ist bedauerlicherweise grottenschlecht und lässt vermuten, dass es bereits damals Handycams gegeben haben muss. Das ist natürlich nicht der Fall, aber damalige Videokameras zeichneten den Sound leider ebenfalls nur verzerrt auf. Die Perspektive der Aufnahme erweckt außerdem den Eindruck, der Veranstaltungsraum habe die Außmaße eines Gäste-WCs und die Bühne die einer Nasszelle für Kleinwüchsige gehabt. Das tut dem Kultfaktor der Aufnahme natürlich keinen Abbruch – trotzdem sollte man diese DVD als das sehen, was sie ist: einen netten Bonus, nicht mehr.
Insgesamt ist „Germania“ eine empfehlenswerte Anschaffung, allerdings nur, wenn man das Original nicht besitzt. Puristen werden ohnehin den leicht antiquierten Sound der 97er-Version bevorzugen. Selbst das schlägt heutige Nachmacher jedoch noch immer um länger und zeigt, dass Geschwindigkeit auch bei MARDUK nicht alles ist und dass die Band schon immer fähig war, großartige Atmosphäre zu erzeugen.
Ein Vernichtungsfeldzug? Wirklich ein ungeheurer Fortschritt, dass man sowas musikalisch nachempfinden kann. So übel scheint das damals übrigens gar nicht gewesen zu sein, was?
Ich kenn die nicht, aber scheiße waren MARDUK ja eigentlich immer.
Was für ein Unsinn.
Na Stendahl, da haste ja mal wieder einen rausgehauen 😉