Marathonmann - ... Und Wir Vergessen Was Vor Uns Liegt

Review

„… und wir vergessen was vor uns liegt“ heißt der Nachfolger, den MARATHONMANN nun dem erfolgreichen „Holzschwert“ hinterher schicken. Ohne es groß spannend zu machen – die neue Platte von MARATHONMANN klingt ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte, nämlich viel besser! So richtig festnageln lassen sich MARATHONMANN noch immer nicht. Post Hardcore, Deutsch Rock, Punk Rock? Irgendwie alles zutreffend und gleichzeitig doch knapp daneben, aber genau das macht die Band einzigartig und zurecht beliebt.

Bei MARATHONMANN wusste man von Anfang an, dass hier eine Besonderheit schlummert. Selbst wenn diese bei „Holzschwert“ noch nicht nachdrücklich ausgespielt wurde und das Debüt zwar gut aber nicht überragend war, so war doch irgendwie klar, da geht noch was! Die folgende EP „Kein Rückzug, kein Aufgeben“ gab einen vagen Ausblick, aber nicht wirklich konkrete Ansätze, in welche Richtung sich der Senkrechtsstarter entwickeln könnte. Wenden sich die Süddeutschen dem siffigen Punk zu, drücken fester auf die Tränendrüse oder brettern plötzlich brutal und rücksichtslos über den Hörer? Die Antwort ist einfach und lautet: Weder noch!

„Es gibt von allem etwas mehr“, so in etwas lautete der auch Ausblick den Sänger Michi Lettner im Interview vermittelte. Besagter Michi gibt auf dem neuen Album tatsächlich von allem etwas mehr. Mehr Gefühl, mehr Druck und besonders gesanglich steht er stabiler und mit breiterer Brust da. „Abschied“ behandelt den Tod seines Großvaters und zwar nicht platt oder um sich damit selbst zu bemitleiden, sondern reflektiert, traurig und letztendlich doch hoffnungsvoll. Eine größe Stärke von MARATHONMANN ist es, nicht im depressiven Sumpf zu versinken, sondern immer ein hoffnungsvolles Licht ans Ende des Tunnels (Songs) zu packen. Die Riffs sind abwechlungsreicher geworden, verspielter und auch dem Bassisten wird von Zeit zu Zeit ein kurzer Augenblick im Rampenlicht gegönnt. Grundsätzlich schwingt auf „… und wir vergessen was vor uns liegt“ neben der Ernsthaftigkeit eine angenehme Bodenständigkeit mit. Das Gesamtpaket ist also solide, nachdrücklich und standhaft zu beschreiben, was natürlich nicht abwertend gemeint ist.

Nicht aufdringlich, nicht nervend, nicht belehrend, sondern einfach „richtig gute handgemachte, deutsche Musik“ und zwar ohne Proll-Charme, ohne Texte über Stolz und Ehre und auch ohne triefenden Herzschmerz. Die Hooks stehen dir im Alltag freundlich zur Seite, hängen aber nicht nervig im Ohr und verfolgen dich im Schlaf. Die Botschaften sind verwertbare Ansätze, aber keine Weisheiten, die dir vorschreiben, wo es langgehen muss und damit wieder Druck aufbauen. Mit simplen Mitteln holen MARATHONMANN auch kompositorisch deutlich mehr raus, als noch zu „Holzschwert“-Zeiten, werden hymnisch aber nicht episch („Manchmal kommen sie wieder“, „Diese Hände“).

Es wäre so einfach und sicher gewesen, hier und da einen prallen Breakdown einzubauen und das Tempo an manchen Stellen drastisch zu erhöhen oder einfach auch provokant und etwas aggressiver zu werden. Dann hätte sich die Band aber in die Reihe gesichtsloser Brachial-Bands eingeordnet. MARATHONMANN haben glücklicherweise nichts davon getan, sondern ihrer Musik noch mehr Wiedererkennungswert gegeben, indem sie an ihren Trademarks ausschließlich effektiv gefeilt haben. An manchen Stellen toniert Michael Lettner zwar wie Jan Windmeier von den geschätzen TURBOSTAAT (z.B. in „73162“), aber ansonsten muss man ganz deutlich abschließend sagen, dass sich MARATHONMANN ihren eigenen, unverkennbaren Sound geschaffen haben. Wer „Holzschwert“ mochte, wird „… und wir vergessen was vor uns liegt“ noch besser finden. Und wenn der MARATHONMANN immer schön weiterrennt, dann geht da sogar noch mehr!

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17.07.2014

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