Mar De Grises - The Tatterdemalion Express

Review

Mar De Grises überraschen den Hörer gleich in mehreren Punkten. Zum einen stammt der Fünfer aus Chile, was an sich noch nichts Ungewöhnliches ist, aber in Kombination mit der gespielten, äußerst doomlastigen, Düstermucke durchaus Exotenstatus genießt. Außerdem wird man der selbst auferlegten Stilbeschreibung des progressiven und melodischen Doom-Metals nur bedingt gerecht. Viel zu oft schiebt man sich zwischen irgendwelche Grenzen und erschließt neues Terrain. Um möglichen Missverständnissen gleich aus dem Wege zu gehen, sei angemerkt, dass Mar De Grises keineswegs in genreuntypischen Stilkisten wühlen, dafür aber die Tiefen melancholischer und emotionaler Musik gekonnt durchdringen. Ich würde jetzt gerne eine Band nennen, die den Stil von Mar De Grises unverwechselbar kennzeichnet, dies fällt aber angesichts des gebotenen Hörerlebnisses nicht ganz einfach. Sicher bieten sich Bands wie „My Dying Bride“ oder „Grey Skies Fallen“ an, aber wirklich vergleichbar sind die Südamerikaner in ihrer Gesamtheit auch mit diesen Bands nicht. Gleich der überlange Opener „El Otro“ ist ein schwer verdaulicher Brocken, der sich kontinuierlich steigert und den Spannungsbogen bis zum Ende hin gespannt hält. Das nachfolgende „To See Saturn Fall“ löst sich etwas von den gar Funeral-Doom lastigen Vorgänger und geht gleich zu Beginn etwas heftiger zu Werke. Mar De Grises arbeiten bei diesem Stück in vielen Teilen mit Disharmonien, die es dem Hörer nicht einfacher machen, in das schon ohnehin vertrackte Werk einzutauchen. „Be Welcome Oh Hideous Hell“ erscheint zwar im ersten Moment etwas geradliniger, gewinnt aber im weiteren Verlauf immer mehr an Komplexität und ist wohl das progressivste Stück auf „The Tatterdemalion Express“. So manche progressiven „Entgleisungen“ erinnern mich dabei, wenn auch nur weit entfernt, an die Italiener „Ephel Duath“. Mar De Grises haben mit „The Tatterdemalion Express“ einen noch recht jungfräulichen Pfad eingeschlagen und erschaffen ein Werk, das großen Respekt verdient hat. Respekt ist allerdings ein Wort, welches meist in Verbindung mit einem gewissen Zweifel steht. So auch bei Mar De Grises, die zweifelsohne das Prädikat „Innovativ““ verdient haben, aber in meinen Augen mit einem Problem zu kämpfen haben. Die sperrigen Songs mit den vielen versteckten Kleinigkeiten und Finessen lassen sich nur sehr schwer durchdringen und wer sich nicht die Mühe macht zumindest einen Song ohne äußere Einflüsse entdecken zu wollen, wird die Scheibe wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen, wenn sie im Player rotiert, oder als Durschnittsgedudel abtun. Ich kann nur sagen, so schwer mir der Einstieg fiel und ich mich anfangs auch nicht zu mehr als einem anerkennenden Nicken hinreißen lies, desto mehr Beachtung findet die Scheibe bei intensiverem Hinhören. Eine Band, die auf dem richtigen Weg ist, auch wenn man sie „noch“ nicht vollends verstehen muss.

09.05.2004
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