MALOKARPATAN ziehen mit „Vertumnus Ceasar“ aus dem waldigen Hinterland der Karpaten in die Verliese unter dem Prager Palast von Rudolf II. Um diesen Monarchen dreht sich nämlich das neue Album der slowakischen Black-Metal-Band, die auf dem Langspieler, wie einst der thematisierte Kaiser, verschiedensten Stilen und dunklen Künsten frönt.
Die Basis bildet weiterhin altertümliches Schwarzmetall, verschroben und finster arrangiert. Doch MALOKARPATAN zeigen sich weltoffener als zuvor. Bewegte sich die Band zum Beispiel auf dem zweiten Album im sagenhaft finsteren „Nordkarpatenland“ noch musikalisch und textlich in rustikaler Umgebung, geht es nun an den Kaiserhof, wo zur Unterhaltung des Herrschers alles gestattet ist.
MALOKARPATAN feiern am alten Kaiserhof
Zwischen bewährter Verehrung alter Helden wie VENOM und BATHORY, aber auch ganz frühen ENSLAVED, bietet „Vertumnus Caesar“ ausgiebig Raum für Synthesizer, Harfen, Flöten und Pauken. Letztere wurden übrigens eingespielt von Silenthell, der einst bei MASTER’S HAMMER dieses Instrument bediente.
Mit dieser altehrwürdigen tschechischen Black-Metal-Truppe wurden MALOKARPATAN schon immer verglichen, doch schien dies eher geographischer Nähe als tatsächlicher musikalischer Inspiration geschuldet. Dieses Mal finden sich jedoch viele Überschneidungen im experimentellen Umgang mit dem Black-Metal-Genre, im faszinierenden Spagat zwischen nach Innen gerichteter düsterer Psychedelik und überbordender Epik. Dass in einem Song die Stimme des ehemaligen MASTER’S HAMMER-Gitarristen Necrocock zu hören ist, symbolisiert diese gestärkte Verbundenheit.
„Vertumnus Caesar“ strahlt eine finstere Epik aus
Dennoch sind MALOKARPATAN eigenständig und eigentümlich wie eh und je. Dies trifft auch auf die Songs der Slowaken zu, die jeweils über eigene Charakteristika verfügen. Mal dient klassischer Speed Metal als treibende Kraft hinter Folk-Epik und Synth-Gewaber, mal rahmt letzteres mittelalterliche Träumereien ein. Jeder Song steht für sich und fügt sich trotzdem stimmig ins Ganze ein.
Aufgenommen von Zdeněk Šikýř in Prag und von ENFORCER-Frontmann Olof Wikstrand gemastert, verfügt das Album über einen klaren wie organischen Sound, der nicht nur an alte Imperien, sondern ebenso verklärte wie vergangene Metal-Zeiten erinnert. Das klingt bisweilen zwar etwas dünn, aber niemals schwach auf der Brust.
Rudolf II. versammelte auf dem Prager Hradschin Künstler, wurde dort einst als Jahreszeiten-Gott Vertumnus, zusammengesetzt aus Früchten und Pflanzen, porträtiert. Alchemisten und Medien wie John Dee und Edward Kelley fanden sich an seinem Hof ein, während an der Grenze des Habsburgerreiches der Lange Türkenkrieg tobte. MALOKARPATAN verarbeiten all diese Aspekte in einem finsteren, märchenhaften Epos über den verschrobenen Kaiser, das dieser vermutlich genauso begeistert akzeptiert hätte, wie das erwähnte Gemälde.
Metal-Tugend trotz experimenteller Klänge
„The magickal realm disappears“, heißt es im letzten Song zum Lebensende des Kaisers. Damit ist natürlich der illustre Hof des kunstvernarrten und von Mysterien besessenen Rudolf gemeint, aber dieser Satz läutet auch das Ende einer Reise in eine düstere wie bezaubernde Welt ein, die von der Band erschaffen wurde. Wo sich andere Gruppen durch experimentelle Klänge in ziellose Soundtrack-Landschaften verirren, bewahren die Slowaken ihre Metal-Tugenden und kommen trotz verspielter Parts stets zum Punkt.
Mit „Vertumnus Caesar“ haben sich MALOKARPATAN musikalisch weiterentwickelt ohne sich von ihren Wurzeln zu lösen. Das Album bietet einen atmosphärisch dichten Ausflug in eine entrückte Welt in der historische Figuren mystisch romantisiert werden. Umgeben von gravitätischer Opulenz bleibt die Band bodenständig und wild, führt ihre Reise aus dem Hinterland konsequent am Kaiserhof fort und setzt dabei neue Maßstäbe. Die Welt mag sich weiterdrehen, doch diese kaiserliche Kunst ist für die Ewigkeit.
Alles, was ’n bisschen krächzige Vocals hat als low key Black Metal zu bezeichnen, ist aber schon etwas irreführend.
Auf MALOKARPATAN ist Verlass: Ein weiteres Mal gibt es die morbide wie kauzige Mischung aus Erste-Welle-Black Metal, klassischem Stahl, Prog Rock-Spritzern der alten Schule, eigensinnigen Schrägheiten und Schwarzgebranntem.
Schönes Review einer Platte, die bei mir schon wieder ab der ersten Minute hysterisches Lachen ausgelöst hat. Danke auch für den Exkurs in die behandelte Thematik, finde ich hilfreich!
Genau so eigenartig und eigenständig (wer redet denn von low key-BM?), dass sie ohne Vergleich auskommt, für das völlige Abtauchen in Rudolf II.s Welt fehlen mir nur weitere ungefähr 15 min und etwas intensiver ausgespielte, trotzdem immer geile Ideen.